Weltwirtschaftsforum: Beliebigkeit statt Inklusion?
Das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos könnte ein Manko deutlich machen, das schon seit einiger Zeit über dem hochkarätigen Wirtschaftstreffen hängt: das der Beliebigkeit. Besonders der Umstand, ein Wirtschaftstreffen im Angesicht eines brutalen Kriegs in Europa abzuhalten, deckt vergangene Fehler auf – und möglicherweise auch eine verzerrte Wahrnehmung der Welt durch den Gründer und Ausrichter Klaus Schwab.
Dem heute 86-Jährigen ging es von Beginn an darum, dem Spitzentreffen der Weltwirtschaft möglichst viel Relevanz zu verleihen. Das Rezept, das Klaus Schwab dabei verfolgte, war das der Inklusion. Vom demokratischen Staatsführer bis zum Despoten war auf dem WEF jeder willkommen, der über Macht und Einfluss verfügte. Die Strategie dahinter: Lösungen durch Dialog schaffen. Das kann allerdings nur funktionieren, wenn alle Beteiligten an Dialog interessiert sind.
WEF in einer neuen Welt
Dass die verfolgte Strategie auf eher idealisierten und theoretischen Anschauungen basiert, musste Klaus Schwab spätestens bei der diesjährigen Veranstaltung einräumen. Die Quasi-Verbannung Russlands von dem Wirtschaftsgipfel ist das Eingeständnis einer verfehlten Regie in den vergangenen Jahren, als Wladimir Putin und sein Kreis regierungstreuer Oligarchen zu den hofierten Stars der Veranstaltung zählten.
Wie verfehlt die konsequent verfolgte Beliebigkeit des WEF beim Umgang mit Demokratiefeinden war, illustriert auf drastische Weise das Russland-Haus in Davos, ein Gebäude in Bestlage, das in den vergangen Jahren Veranstaltungsort rauschender Feste der russischen Politik– und Geldelite war. In diesem Jahr hat ein oppositioneller Oligarch das Gebäude angemietet, um darin ein Dokumentationszentrum für die Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine zu eröffnen.
Krisen im Zentrum der Agenda
Das diesjährige Forum steht im Zeichen mehrerer Krisen, die sich alle auf die Weltwirtschaft auswirken. Neben den drastischen Folgen des Ukraine-Kriegs spielt auch Corona weiterhin eine bedeutende Rolle. Selbst die Veranstaltung ist direkt davon betroffen: Wegen der Auswirkungen der Omikron-Variante musste das Treffen vom Januar in den Mai verschoben werden. Und schließlich stehen auch die globale Erwärmung und ihre Auswirkungen auf den Planeten im Zentrum des Interesses.
“Geschichte am Wendepunkt” – unter diesem Motto steht das diesjährige, offiziell 52. Weltwirtschaftsforum. Laut Klaus Schwab wird es das aktuellste und wichtigste Treffen seit Gründung der Veranstaltung sein (wobei natürlich jedes neue Treffen automatisch das aktuellste ist). Dabei soll es insbesondere um die Folgen gehen, die durch die aktuellen Krisen auf die Wirtschaft einwirken.
Ein zentrales Thema ist hier die Krise bei den internationalen Lieferketten, insbesondere auch die Auswirkungen und Folgen des Ukraine-Kriegs auf sie – neben den Störungen, die durch die Pandemie ausgelöst werden. Im Fokus steht auch die internationale Energieversorgung – auch hier wieder im Schatten der durch den Krieg ausgelösten Lieferengpässe. Zur Sprache kommen soll auch die Nahrungsmittelsicherheit, insbesondere durch die massiven Lieferausfälle bei Weizen aus der Ukraine.
Ein weiteres Schwerpunktthema soll in diesem Jahr die Inflation sein. Im Zentrum des Interesses dürften in diesem Zusammenhang die eben anlaufenden Gegenmaßnahmen der amerikanischen Zentralbank FED sein, die durch stufenweise Zinserhöhungen den hohen Teuerungsraten entgegenwirken möchte. Auch das bisher eher zögerliche Verhalten der Europäischen Zentralbank bei ihrer Zinspolitik dürfte für einigen Gesprächsstoff sorgen.
Ein weiteres eingeplantes Gesprächsthema beschäftigt sich mit den sozialen Folgen, die sich aus der hohen Inflation ergeben. Auch hier geht es darum, Härten weitgehend zu abzumildern oder im Idealfall bereits im Vorfeld abzuwenden. Und schließlich soll es um Digitalisierung gehen – hier insbesondere um die Auswirkungen auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse.