Kindergrundsicherung: Ein Schritt in Richtung soziale Gerechtigkeit?
Die Kindergrundsicherung sollte als eine der bedeutendsten Sozialreformen der Ampel-Koalition fungieren und im Jahr 2025 endlich Realität werden. Bereits im September 2023 wurde ein entsprechender Gesetzentwurf im Kabinett beschlossen. Seitdem herrscht jedoch Uneinigkeit innerhalb der Regierung, insbesondere die FDP äußerte mehrfach Bedenken. Nun scheint jedoch ein Kompromiss in greifbare Nähe zu rücken, was den Verhandlungsprozess wiederbelebt hat.
In Deutschland gilt jedes fünfte Kind als arm, eine alarmierende Zahl, die das Bundesfamilienministerium nicht unbeachtet lassen will. Die geplante Kindergrundsicherung zielt darauf ab, bedürftige Kinder und ihre Familien schneller und effizienter zu unterstützen. Dabei sollen verschiedene bestehende Leistungen wie das Kindergeld, der Kinderzuschlag, der Kinderregelbedarf aus Bürgergeld und Sozialhilfe sowie Teile des Bildungs- und Teilhabepakets gebündelt werden. Dieses Vorhaben gilt insbesondere für die Grünen als ein zentrales Prestigeprojekt.
Streitpunkte und Hindernisse
Die Diskussionen über die Kindergrundsicherung stockten in den letzten Monaten, besonders aufgrund der Einwände der FDP. Finanzminister Christian Lindner kritisierte die geplante Reform scharf und befürchtete eine Zunahme der Bürokratie sowie einen möglichen Rückgang der Arbeitsanreize. Studien legen nahe, dass sich Arbeit für etwa 70.000 Menschen durch die Reform weniger lohnen könnte. Auch die Jobcenter meldeten sich zu Wort und wiesen in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz auf ihre Bedenken hin.
Trotz der Differenzen scheint eine Einigung innerhalb der Koalition nun möglich. Der FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte die Notwendigkeit der Entbürokratisierung und Vereinfachung der Kindergrundsicherung. Ein modernes, einfach verständliches System, ähnlich einer Banking-App, sei das Ziel. Auch Katja Mast, Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, äußerte sich optimistisch über die laufenden Gespräche und betonte die Dringlichkeit der Reform, um den zwei Millionen von Armut bedrohten Kindern in Deutschland bessere Chancen zu bieten.
Kritische Stimmen aus der Zivilgesellschaft
Ein breites Bündnis aus 20 Verbänden und 13 Wissenschaftler*innen, bekannt als das Bündnis Kindergrundsicherung, kritisiert die bisherigen Fortschritte scharf. Sie bemängeln, dass der Gesetzentwurf im Bundestag festhängt und die ursprüngliche Reformidee stark verwässert wurde. Insbesondere die unzureichende Höhe der vorgesehenen Leistungen und die fehlende Neuberechnung des „kindlichen Existenzminimums“ stoßen auf Kritik. Verena Bentele, Präsidentin des VdK und Sprecherin des Bündnisses, betonte die Notwendigkeit einer echten Reform, die allen Kindern eine gute Entwicklung und soziale Teilhabe ermöglicht.
Die Forderungen der Verbände
Die Verbände fordern die Bundesregierung auf, schnell und entschlossen zu handeln. Sie weisen darauf hin, dass viele arme Kinder aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht an Freizeitaktivitäten teilnehmen können und somit sozial isoliert sind. Michaela Engelmeier vom SoVD fordert daher, dass die Bekämpfung der Kinderarmut oberste Priorität haben muss. Nur eine umfassende Kindergrundsicherung, die wirklich allen Kindern zugutekommt, könne das Problem effektiv angehen. Darüber hinaus bedarf es einer Stärkung der sozialen Infrastruktur, die insbesondere Familien mit geringem Einkommen unterstützt.
Die FDP hat mehrfach betont, dass Armut nicht allein durch höhere Geldleistungen bekämpft werden könne. Martin Gassner-Herz, Berichterstatter zur Kindergrundsicherung für die FDP, wies darauf hin, dass der aktuelle Entwurf bei Verwaltungsexperten in Ländern und Kommunen auf große Bedenken gestoßen sei. Sollte sich der Entwurf als nicht umsetzbar erweisen, kündigte die FDP ein Alternativpaket gegen Kinderarmut an, das neben finanziellen Hilfen auch Bildungs- und Teilhabechancen verbessern soll.
Das finanzielle Dilemma
Ein weiterer Streitpunkt innerhalb der Koalition ist die Finanzierung der Kindergrundsicherung. Während Familienministerin Lisa Paus ursprünglich zwölf Milliarden Euro forderte, einigte man sich letztlich auf 2,4 Milliarden Euro. Dies wird von vielen als Niederlage für die Grünen und insbesondere für Paus gewertet. Dennoch besteht bei allen Beteiligten Einigkeit darüber, dass der ursprüngliche Termin zur Einführung der Kindergrundsicherung, der 1. Januar 2025, wahrscheinlich nicht eingehalten werden kann.