Statistisches Bundesamt erklärt technische Rezession für Deutschland

Zwei Quartale nacheinander mit negativen Wachstumszahlen – das ist für das Statistische Bundesamt das Signal für eine Rezession. Nachdem das Amt nun seine anfängliche Schätzung von Ende April für das erste Quartal von 0 auf minus 0,3 korrigiert hat und auch schon das vierte Quartal 2022 mit einem Negativwachstum zu Ende gegangen war, ist offiziell der Rezessionsfall für Deutschland eingetreten. Nicht ganz so düster sind die Aussichten für das Restjahr. 

Trotz trüber Stimmung ist die Gesamtstimmung besser als befürchtet. Das geht insbesondere auf den milden Winter zurück, der das Land vor den Horrorvisionen leerer Gastanks und explodierender Energiepreise bewahrt hat. Zwar sind die Preise zunächst stark gestiegen, doch in zahlreichen Bundesländern sind bereits wieder spürbare Preisrückgänge zu beobachten. Dennoch wird es wohl nicht so bald zu einer schnellen Erholung kommen – dagegen spricht die zwar zurückgegangene, aber immer noch hohe Inflationsrate von 7,2 Prozent.

Verhaltene Stimmung auf den Finanzmärkten

Ähnlich beurteilt der Internationale Währungsfonds die Lage in Deutschland. Nach Ansicht der IWF-Analysten wird sich die wirtschaftliche Entwicklung bis Ende des Jahres weiterhin um die schwarze Null herum bewegen, hauptsächlich unter dem Einfluss der noch hohen Teuerungsrate. Doch auch die Energiepreise tragen zur gedämpften Stimmung bei.

Zwar ist die ganz große Preiskatastrophe bei Öl und Gas ausgeblieben, doch leidet die Wirtschaft nach Ansicht zahlreicher Analysten dennoch unter den gestiegenen Energiepreisen und ihren Folgen im Winter. Nachdem sich deshalb der Ifo-Geschäftsklimaindex negativ entwickelt hat, führt das voraussichtlich zu einem Sinken der wichtigen Frühindikatoren im verarbeitenden Gewerbe. So zumindest sehen das zahlreiche Bankmanager. Dass sich in dieser Szenerie das Wirtschaftswachstum gegen Süden neigt, darf nicht verwundern.

Konsumenten in Missstimmung

Wesentlichen Anteil an der aktuellen Rezession hat die Stimmung der Verbraucher. Im ersten Quartal sind die Konsumausgaben um 1,2 Prozent zurückgegangen, was vor allem auf die rasanten Preisanstiege in den strategisch wichtigen Branchen Nahrungsmittel, Getränke, Wohnungseinrichtung, Schuhe und Bekleidung zurückgeht.

Konsumenten kommt bei Rezessionen eine Schlüsselrolle zu. Die zurückgehende Kauflaune wirkt sich direkt auf die Betriebsergebnisse der Unternehmen aus – und damit auf die gesamte Volkswirtschaft. Wenn zur Unlust im Konsumbereich auch noch Rückgänge bei den staatlichen Ausgaben hinzukommen, wie es in der aktuellen Situation der Fall ist, gibt es auf der Rutschbahn in die Rezession kein Halten mehr.

Regierung setzt auf Zuversicht

Das sei ein Auftrag an die Politik, sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner angesichts der aktuellen Situation in Deutschland. Der Bundeskanzler wiederum setzt auf Beschwichtigung. “Die Aussichten der deutschen Wirtschaft sind sehr gut”, sagt Olaf Scholz angesichts der Negativentwicklung. Um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, sei ein ganzes Paket an Maßnahmen geplant, allen voran die Beschleunigung und Planungs- und Genehmigungsverfahren. Auch werde es entschlossene Maßnahmen gegen den schon länger andauernden Fachkräftemangel geben, vor allem durch internationale Anwerbung.

Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gibt es einen anderen Verantwortlichen für die depressive Stimmung in der deutschen Wirtschaft: die starke Energieabhängigkeit von Russland. Sie habe nach Ansicht des Ministers zu der aktuellen Lage geführt. Dennoch sei man zuversichtlich: “Wir kämpfen uns aus dieser Krise heraus”, sagt der grüne Minister.

Kritik von der Opposition

Das müsse den Bundeskanzler wachrütteln, sagt CDU-Vorsitzender Friedrich Merz und nutzt die Gelegenheit für umfassende Fundamentalkritik: “So wie seine Ampel arbeitet, zweifeln viele Unternehmen an der Zukunft des Standorts Deutschland.” Auch warte das Land seit Monaten auf die angekündigte konzertierte Aktion des Bundeskanzlers mit den Sozialpartnern, um die Inflation in den Griff zu bekommen.

“Spätestens jetzt muss die Ampel aufhören, sich die Lage schön zu reden”, schimpft Jens Spahn, Fraktionsvize der Union, auf Twitter. Ob die aktuelle Situation allerdings angesichts der globalen Parameter unter einer unionsgeführten Regierung eine andere wäre, lässt sich nicht schlüssig beantworten.