So wollen die Grünen zur Wirtschaftspartei werden

Mit der Wirtschaftsvereinigung der Grünen e.V. will die ökologisch geprägte Partei ihre Kompetenz im Bereich Wirtschaft schärfen und so offenbar auf lange Sicht ein Gegengewicht zum unbequemen Koalitionspartner FDP bilden. Die Vereinigung, die erstmals im Februar 2023 im Lobbyregister auftauchte, hat im April ihre offizielle Tätigkeit aufgenommen.

In Zusammenarbeit mit einer Gruppe mittelständischer Unternehmer soll auf diesem Weg ein Arbeitskreis entstehen, der grüne Wirtschaftspolitik fördert und in der allgemeinen Wahrnehmung stärker etablieren soll. Unter dem Vorsitz von Thomas Fischer, Gründer und CEO der Düsseldorfer Managementberatung Allfoye, hat die Wirtschaftsvereinigung im April ihre Arbeit aufgenommen.

Gemeinsames Ziel: Klimaneutralität

Die 30 kooperierenden Unternehmen haben als eines ihrer gemeinsamen Ziele das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 definiert. Mit dabei sind etwa Tatjana Ohm von Randstad Sourceright, Peter Heine von Marley Deutschland und Volker Ratzmann von der Deutschen Post DHL Group. Es ist also vorerst die zweite Riege in der Manager-Hierarchie, die bei dem grünen Arbeitskreis mit dabei ist. Doch das ist nur ein Effekt der Aufbauphase, so Thomas Fischer.

Die Botschaft, die die Grünen mit der neu gegründeten Wirtschaftsvereinigung verkünden will, ist die Schärfung ihres wirtschaftspolitischen Ziels. Offenbar geht es darum, die Deutungshoheit der FDP in ökonomischen Fragen zu brechen und sich selbst für Wirtschaft und Industrie als kompetenter Gesprächspartner zu positionieren. Politische Beobachter vermuten, dass die Grünen damit besonders ökologisch bewusste Wähler der FDP ansprechen möchten. Sie sollen ermutigt werden, sich auch in wirtschaftlichen Fragen den Grünen anzuvertrauen.

“Wir wollen ein starkes Deutschland, das nachhaltig wirtschaftet, klimaneutral erfolgreich. Nur so bleiben wir wettbewerbsfähig“, erklärt dazu Thomas Fischer. Offenbar geht es der Vereinigung darum, den von der FDP oft vernachlässigten Nachhaltigkeitsaspekt verantwortungsbewusster Wirtschaftspolitik in den Vordergrund zu stellen.

Ausgemachtes Ziel: das gesamte Wirtschaftsspektrum

Die derzeitige Ausrichtung der Wirtschaftsvereinigung auf einige Branchen stellt laut eigenen Aussagen lediglich die Startsituation dar. Anvisiert ist die grüne Ausrichtung der gesamten Wirtschaft, vom Kleinunternehmen bis zum Automobilkonzern. Der mittleren Unternehmensgrößen sollen dabei vorerst im Fokus der Aufmerksamkeit stehen: “Im Mittelstand sind das zu 98 Prozent Firmen, die kaum ein Mensch kennt, aber die den Standort Deutschland eben auch ausmachen”, sagt dazu Thomas Fischer.

Doch dabei soll es nicht bleiben. Auch große DAX-Unternehmen sollen nach Vorstellung des Gründers einmal der Wirtschaftsvereinigung beitreten. Eigenen Berichten zufolge bestehe von dieser Seite großes Interesse, insbesondere bei der Frage, wie sich das Ziel Klimaneutralität bis 2045 erreichen lässt.

Auch hier möchten die Grünen über ihre Initiative ihr Alleinstellungsmerkmal schärfen. “Viele merken, dass die Grünen das Thema Nachhaltigkeit am ernsthaftesten voranbringen wollen”, sagt dazu Thomas Fischer.

Stärkere Integration der Partei geplant

Bislang präsentiert sich die Wirtschaftsvereinigung der Grünen e.V. vornehmlich als Unternehmerverbund, bei dem alle führenden Positionen durch Personen aus dem Wirtschaftsleben besetzt sind. Die Integration der Grünen ist in Form eines politischen Beirats geplant, der sich derzeit noch im Aufbau befindet. 

Im Beirat werden sich dann Vertreter der Partei- und Fraktionsführung wiederfinden. Auch Kabinettsmitglieder wie Bundesminister Robert Habeck sollen dem Beirat angehören. Wann der seine Tätigkeit aufnimmt, steht allerdings noch nicht fest.

Bundesvorsitzende Ricarda Lang sieht die Grünen sogar schon auf dem Weg zur neuen Wirtschaftspartei. Die Hoffnungen sind nicht unbegründet: Besonders die junge Unternehmergeneration sieht in den Grünen zunehmend auch einen ernsthaften Partner für Wirtschaftsfragen – insbesondere, wenn es um die nachhaltige Ausrichtung verantwortungsbewusster Wirtschaftspolitik geht.

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