Protest niedergelassener Ärzte: Schließung von Praxen als Aufschrei gegen die Gesundheitspolitik
In einer Protestaktion haben tausende Haus- und Fachärzte deutschlandweit am Montag ihre Praxen geschlossen. Die Aktion, die vom Ärzteverband Virchowbund initiiert wurde und von rund 20 weiteren Ärzteverbänden und Kassenärztlichen Vereinigungen unterstützt wurde, soll ein deutliches Zeichen gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung setzen. Die Praxen bleiben geschlossen, um auf die prekäre Lage der niedergelassenen Ärzte aufmerksam zu machen.
Schmerzhafter Sparzwang und bürokratische Hürden
Auf der Protest-Webseite des Virchowbunds wird von „schmerzhaften Sparmaßnahmen“ gesprochen, die die Politik und die Krankenkassen den Praxen seit Jahrzehnten aufzwingen. Die Ärzte beklagen einen Fachkräftemangel, übermäßige Bürokratie, die Inflation und hohe Energiekosten, die ihre Praxen belasten. Hinzu kommen „Spar-Gesetze“ der Bundesregierung, die die Lage der Praxen weiter verschlechtern.
Die Ärzte sehen sich zunehmend in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, Patienten angemessen zu versorgen. Sparmaßnahmen und Leistungskürzungen führen dazu, dass Termine für Patienten immer knapper werden. Als Beispiel wird die Streichung der sogenannten Neupatientenregelung zu Jahresbeginn genannt, die niedergelassenen Ärzten seit 2019 finanzielle Anreize geboten hatte, neue Patienten aufzunehmen und zusätzliche Termine anzubieten. Die Ärzte fordern die Rücknahme dieser Maßnahme.
Konflikt um Budgetierung und Honorare
Ein zentraler Konfliktpunkt ist die Budgetierung, die gesetzlich festgelegte Obergrenze für die Gelder, die von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden. Die Ärzte argumentieren, dass die Budgetierung abgeschafft werden müsse, da das aktuelle Budget nicht mehr ausreiche. Ein beträchtlicher Teil der niedergelassenen Ärzte erzielt aktuell Verluste bei der Behandlung von Patienten. Die Budgetierung führt dazu, dass die Praxen nicht alle Kosten erstattet bekommen, wenn sie mehr Patienten behandeln.
Kritik an Gesundheitsminister Lauterbach
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gerät in die Schusslinie der Ärzteverbände. Sie werfen ihm vor, die Belange der Praxisärzte zu ignorieren und das Gesundheitssystem in Richtung Staatsmedizin umzubauen. Lauterbach hatte Forderungen nach mehr Geld für die Praxen infrage gestellt, indem er betonte, dass niedergelassene Ärzte im Median rund 230.000 Euro pro Jahr verdienen, nach Abzug aller Kosten. Er fragte rhetorisch, ob der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen solle, um höhere Honorare zu ermöglichen.
Der Virchowbund widerspricht dieser Darstellung und nennt andere Zahlen. Ihrer Berechnung zufolge beträgt der Praxisüberschuss rund 172.903 Euro im Jahr, und das Nettoeinkommen nach Abzug von Altersvorsorge, Kranken- und Pflegeversicherung sowie Einkommenssteuer liegt bei 85.555 Euro.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung plant einen flächendeckenden Not- und Bereitschaftsdienst, um die Versorgung von Patienten sicherzustellen. In einigen Regionen sollen andere Praxen vorübergehend die ambulante Versorgung übernehmen. Trotz des Protests betonen die Ärzte, dass dringende Notfälle weiterhin versorgt werden.
Die Schließung der Praxen am Montag markiert den Auftakt zu weiteren Protestaktionen. Verschiedene Berufsverbände von HNO-Medizinern über Chirurgen, Orthopäden, Augenärzte bis hin zu Internisten unterstützen den Aufschrei der Ärzte. Die Botschaft ist klar: Die Lage der niedergelassenen Ärzte ist prekär, und dringende Veränderungen sind erforderlich, um die Qualität der Patientenversorgung sicherzustellen.