Nachhaltig investieren: Warum Frauen die höheren Renditen erzielen

Gute Erträge und gleichzeitig den Planeten retten – das ist aus der Sicht konventioneller Anlageprodukte auf gewisse Weise ein Widerspruch in sich. ESG und Impact Investing haben bewiesen, dass sich die beiden Welten miteinander in Einklang bringen lassen. Mit dem geistigen Spagat, der dazu in vielen Fällen erforderlich ist, scheinen Frauen besser zurechtzukommen als ihre männlichen Investment-Kollegen. Zahlreiche Statistiken beweisen: Weibliche Anleger erzielen im Durchschnitt mit grünen Investments die höheren Renditen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Erkenntnis, dass Frauen insbesondere bei langfristigen Anlagen die besseren Ergebnisse erzielen. Das sagt vieles darüber aus, warum Frauen bei nachhaltigen Anlageformen die besseren Karten haben: Langfristigkeit basiert auf Solidität und Ratio. Oder anders ausgedrückt: Frauen setzen zuerst auf Vernunft, Männer vielfach lieber auf das Wagnis.

Kühler Kopf – eine weibliche Stärke

“Das ist wohl darauf zurückzuführen, dass Frauen, obwohl sie gerne als das emotionale Geschlecht abgestempelt werden, das Thema Geldanlage eher rational und nüchtern angehen”, sagt dazu Star–Finfluencerin Natascha Wegelin in einem Interview mit dem Focus-Magazin.

Für männliche Investoren ist das Geldgeschäft nicht selten auch eine Angelegenheit des Prestiges: “Ich muss mich nicht großartig beweisen, mit fünf Freundinnen darüber philosophieren und angeben, welch großartige Trades ich gemacht habe”, meint die Investment-Influencerin, deren Podcast elf Millionen Hörer*innen hat. Mit anderen Worten: Bei Männern geht es oft ums Ego, bei Frauen meist um das Ergebnis.

Im Bereich nachhaltiger Investments sind Männer aus Sicht von Natascha Wegelin noch immer eher Jäger als Sammler. Sie suchen das Abenteuer und den Lustgewinn, den die Jagd nach den heißen Deals vermittelt. “Frauen investieren eher passiv, Männer eher aktiv”, sagt die Finfluencerin. Daran, welche Strategie Natascha Wegelin für die bessere hält, lässt sie keinen Zweifel: “Dass passives und langfristiges Anlegen die größere Rendite bringt, wissen wir ja mittlerweile alle.”

Hohe Kompetenz und niedriges Selbstvertrauen – das weibliche Dilemma

“Viele Frauen denken, sie könnten es nicht”, weiß Natascha Wegelin aus ihren Gesprächen mit ihren Hörerinnen. Das zu geringe Selbstvertrauen, um bei ESG und Impact Investing mitzumischen, hat unterschiedliche Gründe: Zum einen fehlen vielfach die Vorbilder, die Frauen ermutigen, den ersten Schritt zu tun. Ein weiteres Hindernis ist die Sozialisation, die viele Frauen in der Gewissheit bestärkt, Investing sei nur etwas für Männer.

Dabei wäre es gerade für Frauen besonders wichtig, sich dieses Gebiet des Vermögensaufbaus zu erschließen: “Wir haben es noch nötiger als die Männer, wenn wir beispielsweise mal auf die Altersvorsorge blicken”, sagt die Podcasterin. Laut einer aktuellen Studie wird ein Drittel aller Frauen eine Rente unter 1.000 Euro monatlich erzielen, und das auch nur, wenn mindestens vierzig Jahre lang ein Verdienst von 2.844 Euro vorliegt – ohne Unterbrechung wohlgemerkt.

Besonders beim typischen Verlauf eines weiblichen Arbeitslebens mit Geburten, Babypause und Teilzeitarbeit ist eine derartige Erwerbsbiographie in den meisten Fällen eher unwahrscheinlich, was die endgültige Rente weiter nach unten schraubt. Für Frauen ist das nachhaltige Investieren also noch bedeutsamer als für Männer.

Weibliches Investment nimmt Fahrt auf

In letzter Zeit gibt es einen deutlichen Trend hin zu mehr weiblicher Investmenttätigkeit. Dass 2022 mehr weibliche Investment-Newcomer auf den Plan traten als männliche, ist allerdings systembedingt: Schließlich startet das weibliche Lager mit einem deutlichen Rückstand.

“Ich merke, dass die Berührungsangst vieler Frauen abnimmt, und auch, dass mehr Grundwissen vorhanden ist”, sagt Natascha Wegelin. Vor allem die Hemmschwelle, sich auf das männerdominierte Terrain zu wagen, ist deutlich gesunken. Auch der Aufstieg des nachhaltigen Produktsegments ist ein Grund dafür, dass sich mehr Frauen dem Investment zuwenden. Die Neigung, mit der Kapitalbildung auch etwas Gutes für die Umwelt zu tun, ist offenbar zutiefst weiblich.