Lidl- und Kaufland-Mutter wird zum IT-Spezialisten

Die Schwarz-Gruppe, Betreiber der beiden Supermarktketten Lidl und Kaufland, etabliert sich zunehmend erfolgreich auch als umfassender Anbieter von IT-Dienstleistungen. Damit folgt der Einzelhandelskonzern offenbar der Strategie von Amazon. Der Handelsriese hat in kurzer Zeit eine Führungsposition im umkämpften Cloud-Markt erobert. Ambitionen ähnlicher Art verfolgt nun auch Lidl-Gründer Dieter Schwarz.

Bereits heute gehört die Schwarz-Gruppe zu den größten Anbietern für Cloud-Services in Deutschland. Noch besteht ein beträchtlicher Abstand zu den internationalen Branchenführern wie Google oder Microsoft, doch Dieter Schwarz sieht sich auf einem guten Weg. Für die nahe Zukunft sind eine Reihe innovativer Projekte geplant.

Heilbronn wird Hightech-Metropole

Am Stammsitz der Schwarz-Gruppe im schwäbischen Neckarsulm und in Heilbronn entstehen Zug um Zug Brennpunkte für innovative Technologien. Schon jetzt existieren eine Programmierschule, ein Bildungscampus und eine Reihe kooperierender Institute, doch das ist erst der Anfang. Weitere Hightech-Projekte befinden sich bereits im fortgeschrittenen Planungsstadium.

So soll in Kürze ein groß angelegter Forschungspark für künstliche Intelligenz in Heilbronn seine Tätigkeit aufnehmen. Begleitend fördern mehrere von Dieter Schwarz gegründete Stiftungen eine Reihe von Bildungs- und Forschungsinstitute. Die genaue Ausgestaltung des Campus und die Art der Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie sollen in Kürze vorgestellt werden.

Umfassender Ausbau geplant

Bereits heute sind etwa 7.000 Mitarbeiter in den Bereichen Schwarz Digital und Schwarz IT tätig. Nach Planungen der Schwarz-Gruppe ist das allerdings nur der Kern, aus dem die neuen IT-Dienstleistungen hervorgehen sollen. Ein Schwerpunkt soll dabei die Sicherheitstechnik darstellen, dies nicht nur als Produkt, sondern auch zum Schutz der eigenen Entwicklungen.

Speziell dafür setzt die Schwarzgruppe fortgeschrittene Sicherheitssysteme der israelischen Cybersecurity-Firma XM Cyber ein. Die Firma wurde vom ehemaligen Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad, Tamir Pardo, gegründet. Seit Mitte 2022 vertreibt die Schwarz-Gruppe die XM Cyber-Lösungen in Deutschland.

Über die Klientel für die Sicherheitslösungen will sich Rolf Schumann, Digitalchef der Schwarz-Gruppe, nicht näher auslassen. Einen Eindruck über das Kaliber der angesprochenen Kundengruppe verschaffte allerdings die letzte Cyber-Sicherheitskonferenz in Heilbronn. Zu den Gästen gehörten Kiews Bürgermeister und Ex-Boxprofi Wladimir Klitschko und Verkehrsminister Volker Wissing.

Vom Eigenbedarf zum Geschäftsmodell

Wie schon das Vorbild Amazon hatte auch die Schwarz-Gruppe ihre IT-Systeme zunächst ausschließlich für den Eigenbedarf entwickelt. Schon bald bewies das Interesse anderer Unternehmen, dass sich daraus ein lukratives Geschäftsfeld entwickeln lässt.

Das scheint insbesondere im Bereich Cloud Computing die aussichtsreichste Strategie zu sein. Nach Ansicht von Branchenexperten lässt sich in diesem Bereich eine Gründung nach dem Startup-Verfahren mit minimaler personeller und finanzieller Ausstattung nicht verwirklichen. Cloud Computing bietet zwar hohe Margen, doch sind die erforderlichen Investitionen nicht minder umfangreich. Da ist es von Vorteil, wenn die Entwicklung im Rahmen des Eigenbedarfs für andere Unternehmensbereiche erfolgt.

Wachstum mit Augenmaß

Bei der Wachstumsstrategie lässt die Schwarz-Gruppe schwäbische Vernunft walten. “Unser Ziel ist nicht, das nächste Amazon oder Google zu werden”, erläutert Christian Müller, Chef von Schwarz IT. “Wenn es passiert, dann passiert es. Aber wir streben das nicht an.” Vorerst gehe es der Schwarz-Gruppe darum, möglichst viele Mittelstandskunden für die eigenen IT-Lösungen zu gewinnen. Was daraus werden kann, wird dann die nahe Zukunft zeigen.

Auch andere Lebensmittelhändler beschäftigen sich mit der Ausgliederung von IT-Lösungen, die ebenfalls aus Eigenentwicklungen entstanden sind. So bildete REWE aus zwei hauseigenen IT-Abteilungen vor kurzem die Tochter REWE digital mit 2.200 Mitarbeitern. Allerdings ist noch nicht bekannt, ob der neue Unternehmensteil seine Dienstleistungen extern vermarkten wird.