Insolvenzwelle in der Textilwirtschaft hält an

Das jüngste Opfer des Niedergangs deutscher Textilunternehmen meldete sich am heutigen Montag: Die ACTC GmbH, Betreibergesellschaft des Labels Young Poets Society, musste nun nach umfangreichen Rettungsversuchen endgültig Insolvenz anwenden. Das Erkrather Unternehmen musste vor dem Amtsgericht Wuppertal seine Zahlungsunfähigkeit erklären.

Die Probleme der Firmengruppe kommen nicht ausschließlich aus der Richtung Young Poets Society. Offenbar haben massive Retouren zu der finanziellen Schieflage von ACTC geführt – und dafür ist insbesondere die ebenfalls insolvente Modekette Peek & Cloppenburg verantwortlich.

Weiterbetrieb ist angedacht

“Für die 46 Mitarbeiter sind die Gehälter über das Insolvenzgeld abgesichert. Das Unternehmen versucht, sich weiterhin im schwierigen Textilmarkt zu behaupten”, erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht gegenüber Medienvertretern.

Das Unternehmen, das wie zahlreiche andere seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten ist, versucht eigenen Angaben zufolge, die Situation vor Covid-19 wiederherzustellen. Wie auch bei anderen Textilunternehmen ist die Krise nicht strukturell bedingt, sondern eine Auswirkung der über Jahre andauernden Sondersituation, die durch die Folgen von Lockdown und Beschränkungen im Einzelhandel entstanden ist.

Corona hat schon zahlreiche Opfer in der Modebranche gefordert

Auch die Modekette Zapata muss nun, sechs Monate nach Anmeldung der Insolvenz, den Betrieb endgültig einstellen. Nicht nur alle noch verbliebenen Filialen müssen schließen, auch der Onlineshop hat seinen Betrieb eingestellt und ist nicht mehr erreichbar.

Trotz intensiver Bemühungen sei die Fortführung der Geschäftstätigkeit nicht mehr darstellbar, erklärte dazu Insolvenzverwalter Matthias Reinel. Wie die anderen Opfer der Krise in der Textilbranche macht auch Zapata die aktuell schwierige Situation im Einzelhandel für den Niedergang verantwortlich. Doch es gibt noch einen anderen Grund.

Offenbar hat Zapata nach der erneuten Insolvenz Ende 2022 spürbar an Anziehungskraft verloren, so Matthias Reinel. Unter diesem Effekt der sich selbst erfüllenden Prophezeiung leiden Einzelhandelsunternehmen nicht nur im Textilsektor – ein in Europa und speziell in Deutschland verbreitetes Phänomen. Mehr als beispielsweise in den USA setzen Konsumenten Insolvenz mit Erfolglosigkeit gleich und übertragen diese Wahrnehmung auf das bisher geschätzte Angebot des Unternehmens. Die Folgen sind Vertrauensverlust und Abwanderung.

Das Aus bei Zapata betrifft die letzten verbliebenen Filialen in Augsburg, Neu-Ulm, Passau und Würzburg. Dennoch hat es laut Insolvenzverwalter bis jetzt so gut wie keine Kündigungen gegeben. Damit geht eine im Jahr 1985 begonnene Erfolgsgeschichte zu Ende, das allerdings nach einer langen Phase des Abstiegs. Die erste Insolvenz traf Zapata bereits 2016, worauf sich die Zahl der Filialen von 15 auf neun verringerte.

Die Umsatzzahlen der letzten Jahre lassen allerdings daran zweifeln, dass die Insolvenz ausschließlich auf Corona und die Folgen zurückzuführen ist. Bei Jahresumsätzen zwischen fünf und sechs Millionen Euro ist zu vermuten, dass zumindest ein Teil des Niedergangs hausgemacht ist.

Auch Premium-Anbieter sind betroffen

High-Fashion-Anbieter Gerry Weber musste Mitte April Insolvenz anmelden, und das nicht zum ersten Mal: Die erste Insolvenz erfolgte schon vor rund drei Jahren. Nun soll eine schmerzvolle Verringerung des Filialnetzes die Konsolidierung ermöglichen. Das wird sich voraussichtlich nur über eine schmerzhafte Rückführung des Personalbestands verwirklichen lassen.

Wenn Insiderinformationen zutreffen, könnte es auch zu einer Löschung der Börsennotierung des westfälischen Unternehmens kommen. Dass es so weit kommen musste, ordnet der Modehersteller den Folgen der Corona-Pandemie zu. “Das Sanierungsvorhaben ist eine notwendige Reaktion auf die äußeren Umstände”, formuliert es diplomatisch Angelika Schindler-Obenhaus, Chefin von Gerry Weber International.

Man leide insbesondere an der hohen Inflationsrate und der daraus hervorgegangenen geringeren Kaufkraft, so Angelika Schindler-Obenhaus. Das habe das Kaufverhalten der Kunden dauerhaft verändert. Aus diesem Grund seien viele Niederlassungen nicht mehr profitabel zu betreiben.

Ein Ende der Insolvenzwelle in der Textilbranche ist vorerst nicht abzusehen. Die Frage scheint nicht zu sein, ob ein weiteres Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit erklären muss, sondern eher, wann das sein wird.