Gewerkschaftskonkurrenz bei der Bahn – auf Kosten der Reisenden?

Nach den gescheiterten Tarifverhandlungen der Deutschen Bahn mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG stehen die Zeichen auf Sturm. Eine angekündigte Urabstimmung soll darüber entscheiden, ob es im Sommer zu unbefristeten Streiks auf Deutschlands Gleisen kommt. Doch viele Experten sehen nicht den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne als Hauptmotivation der EVG für die anstehenden Kampfmaßnahmen. Da ist immerhin noch die GDL und ihre Erfolgsgeschichte.

Dass die Urabstimmung zur Annahme des Streiks der EVG führen wird, darf angesichts der bundesdeutschen Gewerkschaftshistorie als sicher angenommen werden. Damit würde ein Prozess in Gang gesetzt, der die ohnehin schwächelnde und von Inflation und Rezession bedrohte Wirtschaft des Landes empfindlich trifft – und das, so die Meinung vieler Wirtschaftsexperten, ohne zwingenden Grund. Beobachter gehen davon aus, dass die EVG die aktuellen Arbeitskampfmaßnahmen vor allem vorantreibt, um gegen die guten Tarifabschlüsse der Lokomotivführergewerkschaft GDL aus der jüngeren Vergangenheit einen Fuß in die Türe zu bekommen.

Reisende müssen sich auf massive Auswirkungen einstellen

Ein unbefristeter Streik bei der DB würde Millionen von Reisenden hart treffen, vor allem Berufspendler, Schüler, Studenten und Geschäftsreisende. Da die Streikmaßnahmen voraussichtlich in die Ferienzeit fallen, müssten auch Urlauber, die in den Sommerferien verreisen wollen, mit erheblichen Einschränkungen rechnen. 

Durch die zahlreichen Reisenden, die auf andere Verkehrsmittel wie Auto, Bus oder Flugzeug ausweichen, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu mehr Staus, Umweltbelastung und Kosten kommen. Die EVG scheint bereit, diese massiven Flurschäden im Interesse der eigenen Profilierung hinzunehmen.

Empfindliche Ausfälle in der Wirtschaft

Ein unbefristeter Streik bei der DB würde auch die Unternehmen empfindlich treffen. Durch Ausfälle im Güterverkehr kommt es zu zusätzlichen Unterbrechungen in den Lieferketten, begleitet von Engpässen bei wichtigen Rohstoffen, Bauteilen oder Produkten. Die Produktion in vielen Branchen wäre massiv beeinträchtigt oder könnte sogar zum Stillstand kommen.

Auch bei Handel und Tourismus wird der Sommerstreik einige Verwüstungen anrichten. Experten schätzen die wirtschaftlichen Schäden eines unbefristeten Streiks bei der Deutschen Bahn auf mehrere Milliarden Euro pro Woche.

Wirtschaftsexperten sehen eine Katastrophe voraus

Ein unbefristeter Streik bei der DB wäre eine Katastrophe für Wirtschaft und Gesellschaft, so die Meinung zahlreicher Experten. Sie fordern beide Seiten auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und eine schnelle Lösung zu finden. Das wäre durchaus im Bereich des Möglichen, hätte die EVG nicht auch ein übergeordnetes Interesse.

So verlangt die EVG unter anderem eine Erhöhung des Stundenlohns für die untersten Einkommensgruppen um fünf Prozent über dem gesetzlichen Mindestlohn. Die Bahnchefs bieten eine Einmalzahlung von 600 Euro an und wollen über weitere Forderungen erst im Herbst sprechen. Die Experten halten beide Positionen für zu starr und appellieren an die Kompromissbereitschaft der Tarifpartner.

Eine Fortsetzung der Gespräche wäre aus mediativen Gründen die unbestreitbar bessere Option, um in kurzer Zeit zu einer Einigung zu kommen. Ein Streik bringt den Dialog zum Stillstand und verursacht Verluste in Milliardenhöhe – für die EVG offenbar hinnehmbare Kollateralschäden.

GDL – das gefühlte Damoklesschwert der EVG-Funktionäre

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, die zwar vor allem für die Lokführer*innen zuständig ist, aber auch andere Berufsgruppen wie Zugbegleiter oder Bordgastronomen vertreten möchte, hat in der Vergangenheit mit äußerst guten Abschlüssen für die eigenen Mitglieder brilliert. Bereits im April hat die GDL einen Tarifabschluss mit der Deutschen Bahn erzielt, der unter anderem eine Lohnerhöhung von 3,3 Prozent und eine Corona-Prämie von 600 Euro vorsieht.