Deutsche Telekom: Der Erfolg ist importiert

Die Hauptversammlung der Deutschen Telekom am 5. April präsentierte das Kommunikationsunternehmen in einem zwiespältigen Bild: Zwar kann der ehemalige Staatsbetrieb mit stolzen Unternehmenszahlen aufwarten, doch stammen die zum großen Teil nicht aus dem Heimatmarkt, sondern aus den USA. Das wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die von föderalistischen Egoismen der Bundesländer geprägte Politik in Deutschland – nicht nur auf dem Gebiet der Telekommunikation.

Vorstandschef Tim Höttges hatte alles in allem gute Nachrichten für die Aktionäre, denn 2022 erwies sich als ein Jahr der Rekorde für die Deutsche Telekom. Nicht nur der Umsatz erklomm mit einer Steigerung um sechs Prozent auf 114,4 Milliarden Euro neue Höhen. Auch der Gewinn präsentiert sich mit 9,1 Milliarden Euro in Bestform – immerhin eine Steigerung um satte 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Dass die Aktionäre die Erfolgsgeschichte des Telekommunikationsunternehmens angemessen würdigen, war zu erwarten. So wies der Börsenkurs bei 22,40 Euro ein Zehnjahreshoch aus, was einen Wertzuwachs von stolzen 156 Prozent ausmacht.

Tim Höttges: Deutscher Markt nicht wettbewerbsfähig

Die hervorragenden Zahlen verdankt die Deutsche Telekom allerdings nicht dem Heimatmarkt – weder in Deutschland noch kontinental gesehen in Europa. Es ist vor allem die liberale und weitgehend unregulierte Wirtschaftspolitik in den USA, die der amerikanischen Tochter Rekordwerte beschert hat.

Den Heimatmarkt – besonders in Deutschland – bewertete der Vorstandschef auf der Hauptversammlung als nicht wettbewerbsfähig. Dafür gebe es einen Hauptschuldigen: den überbordenden Föderalismus, der sich durch die Egoismen der Bundesländer negativ auf den Geschäftsgang seines Unternehmens auswirkt. Der Markt in Deutschland sei zersplittert, betont Tim Höttges, behindert durch einen Flickenteppich aus Verordnungen und bürokratischen Hürden.

Amerikanischer Erfolg wirkt sich auf die Firmenkultur aus

Bereits heute ist die Deutsche Telekom stark amerikanisiert, und dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach auch in Zukunft fortsetzen. Zwar ist mit einem Abschied aus Europa nicht zu rechnen, doch die Relevanz des europäischen Marktes wird angesichts der günstigen Voraussetzungen in den USA weiter sinken.

Wie destruktiv sich die bundesdeutsche Verordnungskultur auf neue Technologien auswirkt, lässt sich beispielhaft an der 5G-Netzabdeckung nachvollziehen. In Europa liegt sie weit abgeschlagen bei 73 Prozent. Damit befindet sich Europa beim Hochgeschwindigkeits-Mobilfunk nur auf Platz vier – nach den USA mit 96 Prozent, Japan mit 90 Prozent und China mit 86 Prozent. Und da schnelle Datenfunknetze die Grundlage für die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft darstellen, hinkt Europa auch weiterhin anderen industriellen Großräumen hinterher.

Datenschutz behindert neue Geschäftsmodelle

Die hohe europäische Sensibilität in Sachen Datenschutz macht nach Ansicht von Tim Höttges hierzulande die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu einer mühsamen Angelegenheit – auch das ein Grund dafür, warum im weitgehend unregulierten Amerika das Wachstum der Telekom-Tochter so rasant voranschreitet. Das hängt auch mit der Autonomie des Datenbestands zusammen: Heute werden etwa 92 Prozent aller erhobenen Daten auf Servern in den USA gespeichert.

Die schwerfällige Ordnungspolitik in Europa spiegelt sich nach Ansicht des Telekom-Chefs auch auf den Kapitalmärkten wider. Investoren gelangen bereits seit einiger Zeit zu der Überzeugung, dass die Grundvoraussetzungen in Europa nicht konsequent genug auf Wachstum ausgerichtet sind.

Für europäische Telekommunikationsanbieter sind das keine guten Voraussetzungen. Zwischen 2010 und 2022 musste die Branche einen Wertverlust von fast 40 Prozent hinnehmen. In der gleichen Zeit verzeichneten Telekom-Unternehmen in den USA bei der Börsenkapitalisierung eine Steigerung um knapp 100 Prozent.

Und schließlich ist auch das Marktumfeld ein starkes Argument für die Hinwendung zu den USA. Dort nämlich teilen lediglich drei große Anbieter den Telekommunikationsmarkt und sich auf. In Europa ringen über 100 Anbieter verbissen um Kunden. Da erstaunt es nicht weiter, woher die exzellenten Zahlen der amerikanischen Tochter stammen.

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