Chinas Wirtschaftswachstum schwächelt — mit weitreichenden Auswirkungen

Einer der wichtigsten Handelspartner und Wettbewerber Deutschlands hat Probleme: China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, hat in den letzten Monaten an Schwung verloren. Das chinesische Bruttoinlandsprodukt stieg im zweiten Jahresquartal im Vergleich zum Vorjahr nur um 6,3 Prozent, wie das Statistikamt in Peking berichtete. Das ist weniger als erwartet und deutlich weniger als im ersten Quartal, als das Wachstum noch bei 8,1 Prozent lag.

Die Auswirkungen der chinesischen Schwächeperiode sind ambivalent. Einerseits spiegeln sie die globale postpandemische Depression der nationalen Wirtschaften wider, andererseits spielen sie vielen Handelspartnern, die unter der zunehmenden Abhängigkeit von Chinas Wirtschaftsimperialismus leiden, durchaus in die Hände. Ob ein schwaches China gut oder schlecht für die Weltwirtschaft ist, lässt sich derzeit allerdings nicht endgültig sagen.

Die Wachstumsschwäche hat vielfältige Ursachen

Dass Chinas Ökonomie sich nicht erwartungsgemäß entwickelt hat, geht sowohl auf interne als auch externe Faktoren zurück. So ist die anhaltende Energiekrise, die zu Strom- und Produktionsausfällen in vielen Industrien geführt hat, ein weitgehend hausgemachtes Problem. China ist stark abhängig von Kohle, die knapp und teuer geworden ist. Zwar hat die Regierung den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt, doch das reicht bei Weitem noch nicht aus, um die Nachfrage zu decken.

Auch die Turbulenzen am Immobilienmarkt, die durch die drohende Pleite des Baukonzerns Evergrande ausgelöst wurden, tun der chinesischen Wirtschaft nicht gut. Der größte Immobilienentwickler Chinas hat Schulden in Höhe von rund 300 Milliarden US-Dollar angehäuft. Die Angst vor einem Zahlungsausfall hat zu einem Vertrauensverlust bei Investoren, Banken und Kunden geführt, der sich auf den gesamten Sektor auswirkt – immerhin rund ein Viertel der chinesischen Wirtschaft. Zudem hat die Krise auf dem Immobilienmarkt Auswirkungen auf andere Branchen wie Stahl, Zement oder Möbel.

Nicht zuletzt auch die schwache Binnennachfrage, die durch die Corona-Pandemie und die ungleiche Einkommensverteilung verursacht wird, hat wesentlich zur aktuellen Wirtschftsschwäche beigetragen. China hat zwar die Pandemie relativ gut unter Kontrolle gebracht, doch wiederkehrende lokale Ausbrüche, die zu Reisebeschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen führen, drücken weiterhin auf die Stimmung. Dazu kommen steigende Lebenshaltungskosten und eine hohe Verschuldung. Viele Haushalte leiden unter den Auswirkungen, was spürbar auf die Konsumfreude drückt.

Geopolitische Lage bleibt nicht ohne Wirkung

Besonders aber die externen Faktoren machen der chinesischen Wirtschaft schwer zu schaffen. Die schwächere globale Nachfrage, die auch nach der Pandemie nicht überwunden ist und weiterhin Lieferkettenprobleme verursacht, hemmt das Wachstum Chinas beträchtlich. Das Land ist stark vom Export abhängig, vor allem in die USA und nach Europa. Doch diese Märkte haben sich noch nicht vollständig erholt und leiden unter Engpässen bei Rohstoffen, Halbleitern oder Containern. Hinzu kommt die Aufwertung der chinesischen Währung Yuan, die Waren aus dem Reich der Mitte im Ausland teurer macht.

Auch die wachsenden geopolitischen Spannungen, die gehäuft zu Handelskonflikten und Sanktionen führen, drücken schmerzhaft auf Chinas Wachstumszahlen. Das Land steht vor allem mit den USA in einem strategischen Wettbewerb um Einfluss und Technologieführerschaft. Die Biden-Regierung hat zwar einen pragmatischeren Ton angeschlagen als ihr Vorgänger Trump, aber sie verfolgt weiterhin eine harte Linie gegenüber China in sensiblen Fragen wie Menschenrechte, Hongkong oder Taiwan. Auch mit anderen Ländern wie Australien, Indien oder Japan gibt es Streitpunkte wie Territorialansprüche oder Sicherheitsinteressen.

Zukunftsaussichten: noch ungewiss

Wie die neue China-Strategie der Bundesregierung ins Gesamtbild einer schwächelnden chinesischen Wirtschaft passt, ist noch nicht abzusehen. Das Ziel der Strategie ist es, die Beziehungen zu China auf eine neue Grundlage zu stellen. Das neue Selbstbewusstsein soll ein deutliches Signal aussenden: Deutschland ist bereit, sich den Herausforderungen zu stellen, aber auch die Chancen zu nutzen, die sich aus dem Aufstieg Chinas ergeben.

Ob die Bundesregierung die strategischen Chancen nutzt, die sich aus einer vorübergehenden Schwäche Chinas ergeben, bleibt abzuwarten.

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