Bundesbankpräsident: Zwei Prozent Inflation wohl erst 2025

In einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland zeichnet Bundesbankpräsident Joachim Nagel ein ambivalentes Bild von der Entwicklung auf dem deutschen und europäischen Kapitalmarkt. Demnach ist in nächster Zeit mit weiteren Anhebungen beim Leitzins zu rechnen. Auch die Jagd nach der Zwei-Prozent-Grenze bei der Inflation gestaltet sich im europäischen Raum mühsamer als in den USA. Die angestrebte Schwelle lässt sich laut Joachim Nagel erst 2025 erreichen.

Die vom Bundesbankpräsidenten beschriebene Entwicklung geht maßgeblich auf die Zielsetzungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank zurück. Deren strategische Paradigmen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Eingrenzung der allgemeinen Teuerung und die Wiederherstellung der Preisstabilität auf dem Stand vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Doch dahin scheint der Weg noch weit zu sein.

EZB-Maßnahmen mit weitreichenden Auswirkungen

Das von der Europäischen Zentralbank definierte Ziel von zwei Prozent Inflationsrate auf mittlere Sicht wirkt sich spürbar auf die Volkswirtschaften der Mitgliedsländer aus, allen voran Deutschland. Seit die EZB im Juli 2022 die Zinswende eingeleitet hat, gab es acht Leitzinserhöhungen in Folge. Mittlerweile liegt der Leitzins bei vier Prozent – mit der Aussicht auf baldige Anhebung. Auch ein Termin scheint bereits festzustehen: Für die nächste Zinsentscheidung am 27. Juli hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine weitere Erhöhung in Aussicht gestellt.

Das strategische Design der europäischen Zinspolitik bleibt unverändert: Die EZB erhofft sich von den höheren Zinsen, dass sie die Kreditvergabe und die Investitionen dämpfen und damit die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen reduzieren. Das soll den Druck auf die Preise verringern und die Inflation zurückführen.

Dass nicht alle Wirtschaftsexperten mit dem Kurs der EZB einverstanden sind, kann die Zentralbanker vorerst nicht von ihren selbst gesteckten Zielen abbringen – im Gegenteil: Im Interview betont Bundesbankpräsident Joachim Nagel, dass die EZB bereit ist, die Zinsen so lange anzuheben, wie es nötig ist, um das Inflationsziel zu erreichen. Und das wird aller Voraussicht nach erst 2025 der Fall sein.

Deutsche Wirtschaft im Zwiespalt der Interessen

Des einen Freud, des anderen Leid – der bekannte Grundsatz bewahrheitet sich besonders deutlich auf dem Kapitalmarkt. Die höheren Zinsen haben sowohl positive als auch negative Effekte für die Wirtschaft in Deutschland und Europa. Auf der positiven Seite können sie das Vertrauen in die Geldpolitik stärken und die Inflationserwartungen senken. Das kann langfristig zu einer stabileren Wirtschaftslage beitragen. Auch der Wert des Euro profitiert von höheren Zinsen, denn dadurch verbilligen sich die Importe von Rohstoffen und Energie.

Auf der negativen Seite drücken hohe Zinsen auf das Wachstum und erhöhen die Schuldenlast. Höhere Zinsen verteuern Kredite für Unternehmen und Haushalte, was ihre Investitions- und Konsumbereitschaft mindert. Das kann vor allem für kleine und mittlere Unternehmen sowie für private Schuldner problematisch sein, die von den niedrigen Zinsen profitiert haben. Zudem belasten höhere Zinsen auch den Staatshaushalt, denn durch sie steigen die Kosten für den Schuldendienst. Das kann den Spielraum für fiskalische Impulse spürbar einschränken.

Mitgliedstaaten sind unterschiedlich betroffen

Die Auswirkungen der höheren Zinsen sind je nach Land verschieden, abhängig davon, wie stark sie von der Inflation betroffen sind, wie robust ihre Wirtschaft und wie hoch ihre Verschuldung ist. Deutschland gilt als eines der Länder, das am besten mit den höheren Zinsen zurechtkommen kann, vor allem wegen seiner relativ niedrigen Inflation, der starken Wettbewerbsfähigkeit und einer moderaten Schuldenquote. Andere Länder wie Italien, Spanien oder Griechenland werden unter den höheren Zinsen wohl stärker zu leiden haben.

Das von Bundesbankpräsident Joachim Nagel vorgestellte Zukunftsbild der europäischen Zins- und Geldpolitik verdeutlicht ein grundsätzliches Dilemma: Die EZB muss einen ständigen Balanceakt vollführen, um die Inflation zu senken, ohne das Wachstum zu gefährden. Joachim Nagel hat deutlich gemacht, dass die EZB entschlossen ist, ihren Kampf gegen die Inflation fortzusetzen, bis das Ziel von zwei Prozent erreicht ist.

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