Bürokratie als Innovationsbremse: Deutschlands Herausforderung im internationalen Vergleich
Die Bürokratiebelastung in Deutschland erreicht alarmierende Ausmaße, so das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die Untersuchung zeigt, dass 58 Prozent der befragten Unternehmen planen, zukünftig auf Investitionen in Deutschland zu verzichten. Dieser drastische Schritt wird vor allem durch die Wachstumsbremse Bürokratie motiviert.
Laut der Studie fühlen sich zwei Drittel der deutschen Unternehmen unverhältnismäßig stark von staatlicher Bürokratie belastet. Im Vergleich zu 2018 ist dies eine Steigerung um 14 Prozentpunkte. Die „psychologischen Kosten“ der Bürokratie, ausgedrückt durch Gefühle wie Wut (55 Prozent), Ohnmacht (42 Prozent) und Verwirrung (41 Prozent), wiegen für mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) schwerer als der Zeit- und Kostenaufwand. Nur 40 Prozent der Unternehmen erfüllen alle Regelungen vollumfänglich.
Deutschland im internationalen Vergleich
Die Studie zeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich besonders schlecht bei den bürokratischen Belastungen abschneidet, vor allem aufgrund mangelnder Verwaltungsdigitalisierung. Im Gegensatz dazu sind Länder wie Großbritannien und die Niederlande Beispiele für eine erfolgreiche, innovative Transformation der Rechtsetzung und des Bürokratieabbaus. Dort werden Unternehmen frühzeitig und intensiv in den Rechtsetzungsprozess einbezogen.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und Studienleiterin Dr. Annette Icks appellieren an die Politik, strategisch gegen Bürokratie vorzugehen. INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben fordert eine umfassende Neuausrichtung der Regulierung und strukturelle Maßnahmen. Er betont, dass das geplante Bürokratieentlastungsgesetz nicht ausreicht und schlägt vor, Politiker und Beamte strategisch zu Bürokratievermeidung zu verpflichten. Gesetze sollten zudem ein Verfallsdatum von maximal fünf Jahren erhalten, um regelmäßig evaluiert zu werden.
Regierungsbemühungen und Kritik
Der Normenkontrollrat (NKR) empfiehlt der Ampel-Koalition, Gesetzgebung „weniger, einfacher, digitaler“ zu gestalten. Bundesjustizminister Marco Buschmann räumt ein, dass die Belastung durch neue Gesetze nicht weiter akzeptiert werden könne. Die Kritik am Föderalismus und der mangelnden Digitalisierung der Verwaltung wird ebenfalls deutlich. Der NKR-Vorsitzende, Lutz Goebel, fordert mehr Mut zur Lücke in der Gesetzgebung und eine dringende Föderalismusreform.
Flucht der Unternehmen ins Ausland
Die dramatische Zunahme der Bürokratiebelastung führt dazu, dass Unternehmen vermehrt über eine Umstrukturierung nachdenken. Laut einer Umfrage der DZ Bank erwägen 36 Prozent der Unternehmen, Standortveränderungen oder betriebsbedingte Kündigungen vorzunehmen. Die Unsicherheit und Unzufriedenheit der Unternehmen könnten Deutschland langfristig wirtschaftlichen Schaden zufügen.
Die Studie und der Jahresbericht des Normenkontrollrats verdeutlichen, dass die Bürokratie in Deutschland zu einem erheblichen Standortnachteil geworden ist. Die politischen Maßnahmen müssen überdacht und strukturell angepasst werden, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten. Die Unternehmen erwarten eine agile, weniger komplexe und digitalisierte Verwaltung, um ihre Innovationskraft nicht weiter zu beeinträchtigen.