Auf dem Weg zu einem tragfähigen Industriestrompreis: Ein Kompromiss in Sicht

Die Diskussion um einen möglichen Industriestrompreis hat in der Bundesregierung für intensiven Gedankenaustausch und politische Spannungen gesorgt. Während auf Landesebene die Parteien SPD, Grüne und CDU eine einheitliche Unterstützung für staatlich subventionierten Strom für energieintensive Industriezweige zeigen, herrscht auf Bundesebene eine tiefgreifende Uneinigkeit.

Die Wirtschaftslage erfordert staatliche Unterstützung. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat bereits sein „Wachstumschancengesetz“ vorgelegt und im Kabinett verabschiedet. Dennoch sind die hohen Industriestrompreise ein Problem, das in seinem Maßstab einzigartig ist und bisher von Lindners Instrumentenpaket nicht berücksichtigt wurde.

Uneinigkeit über den Industriestrompreis

Doch wie soll dieses Problem gelöst werden? Hierüber gibt es Uneinigkeit in der Ampelkoalition. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schlug bereits im Mai vor, den Industriestrompreis von derzeit über 14 Cent pro Kilowattstunde auf künftig 6 Cent zu senken. Diese Idee stieß jedoch bei Lindner und Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf Widerstand.

Nun scheint ein möglicher Kompromiss in Sicht zu sein. Die Bundesregierung könnte von ihrem Plan abrücken, den Preis für Strom durch Subventionen oder reduzierte Abgaben direkt zu senken. Stattdessen könnte ein neuer Vorschlag umgesetzt werden, der auf die Kosten für die Herstellung bestimmter Produkte abzielt.

Strompreiskompensation als Lösung?

Die sogenannte Strompreiskompensation wird derzeit bereits von etwa 340 energieintensiven Unternehmen genutzt, darunter Hersteller von Stahl, Chlor oder Papier. Diese Unternehmen erhalten Unterstützung, um die Kosten aus dem Emissionshandel für die Stromerzeugung zu decken. Nun könnten sie zusätzlich eine Entschädigung erhalten, die ihre hohen Energiekosten ausgleicht.

Ein entsprechendes Konzept wurde von den Beratungsunternehmen Afry und Neon entwickelt und den Beamten von Kanzler Scholz und Vize Habeck vorgestellt. Die Kosten für den Staat würden dabei auf rund zehn Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 geschätzt. Im Vergleich dazu würde die von Habeck vorgeschlagene Senkung des Preises auf 6 Cent pro Kilowattstunde bis zu 30 Milliarden Euro kosten.

Noch ist unklar, wie die FDP auf den neuen Vorschlag zur Strompreiskompensation reagieren wird. Finanzminister Lindner hat eine Senkung der Stromsteuer ins Spiel gebracht, was alle Unternehmen in Deutschland entlasten würde, aber auch hohe Kosten verursachen könnte.

Einige Branchenverbände befürworten die Absenkung der Netzentgelte. Allerdings stoßen diese Modelle bei der EU-Kommission auf Widerstand. Die Befürworter der Strompreiskompensation argumentieren, dass sie bereits genehmigt ist und Unternehmen trotz Subvention einen Anreiz bietet, energieeffizienter zu produzieren.

Die Rolle der EU-Kommission und die Sorgen der Bundesregierung

Die EU-Kommission hat bei verschiedenen Lösungsansätzen Bedenken geäußert, was die Komplexität der Situation erhöht. Die Bundesregierung steht jedoch unter Druck, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu sichern und Abwanderungen zu verhindern. Aus diesem Grund plant Kanzler Scholz einen Krisengipfel mit Industrievertretern, darunter Vertreter der Chemiebranche.

Unabhängig von der gewählten Lösung bleibt die Herausforderung, wie die Finanzierung sichergestellt werden kann. Die FDP hat vorgeschlagen, den Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu nutzen, der als Sondervermögen dem Bundesfinanzministerium untersteht, aber weitgehend vom Wirtschaftsministerium verwaltet wird. Die Koalition hat jedoch bereits Mittel aus dem KTF für verschiedene Zwecke eingeplant.

Ein Kompromiss in Reichweite, aber noch viele Fragen offen

Die Debatte über den Industriestrompreis bleibt komplex und umstritten. Die Bundesregierung muss eine tragfähige Lösung finden, die die vielfältigen Interessen und Bedenken berücksichtigt. Ein Kompromiss scheint in greifbarer Nähe zu sein, könnte jedoch eine erhebliche Neuausrichtung der Energiepolitik erfordern. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung diese Herausforderung angehen wird und welche Rolle die Strompreiskompensation dabei spielen wird.

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