Allianz sieht erhöhtes Risiko durch E-Antriebe im Schiffsverkehr

AGCS, die Industrieversicherung der Allianz, macht sich über den Transport von Elektroautos im Schiffsverkehrs ziemliche Sorgen. Laut der kürzlich veröffentlichten Schifffahrtsstudie hat die rasant zunehmende Elektrifizierung der Antriebe eine unerwünschte Nebenwirkung: Durch sie steigt nach Erkenntnissen der AGCS die Brandgefahr auf hoher See. Für die Förderung von E-Mobilität sind das keine guten Nachrichten.

Dabei geht es der Allianz-Tochter nicht um den Schiffsantrieb selbst – hier dürfte die technische Wende eher in Richtung Wasserstoff weisen. Es ist vielmehr die zunehmende Zahl der per Schiff transportierten Elektroautos und batteriebetriebenen Geräte, die den Versicherern Kopfschmerzen bereiten. Besonders Lithium-Ionen-Akkus tragen eine potentiell hohe Gefahr der Selbstentzündung in sich, was sich auf hoher See katastrophal auswirken kann.

Einzelne Schiffsklassen besonders gefährdet

Besonders Spezialschiffe zum Transport von Kraftfahrzeugen, aber auch Containerschiffe sind durch die Brandgefahr von E-Antrieben in hohem Maß gefährdet. Das Risiko geht vor allem von der thermischen Instabilität aus, die für Lithium-Ionen-Akkus typisch ist. Daraus können durch Selbstentzündung Brände entstehen, die dann zu Explosionen führen können.

Es gibt eine Reihe von Ursachen, die zu Bränden von Akkus führen können. Vor allem beschädigte Elemente oder Batterien mit Produktionsfehlern sind nach Angaben der AGCS oft die Brandursache. Andere Gründe sind Kurzschlüsse oder die Überladung von Batterien. Sind Brände bei Lithium-Ionen-Akkus erst ausgebrochen, lassen sie sich nur sehr schwer wieder löschen. Auch besteht die Gefahr der spontanen Wiederentzündung.

Brandschutzmaßnahmen von existentieller Bedeutung

Die erhöhte Brandgefahr durch Elektroantriebe erfordert eine wirksame Ausrüstung für die Frühwarnung und das Löschen, so der Industrieversicherer. Die Branche solle sich durch entsprechende vorbeugende Maßnahmen und Notfallpläne auf die erhöhte Gefahr einrichten, so ein AGCS-Sprecher.

Im Zentrum der Maßnahmen sollen intensive Trainings der Mannschaften stehen. Auch der effiziente Zugriff auf die passende Löschausrüstung ist von fundamentaler Bedeutung. Die Ideallösung wäre nach Vorstellung des Versicherers allerdings der Einsatz von Spezialschiffen, die an den Transport von Elektroantrieben und Akkus angepasst sind.

Der Schadensumfang steigt laut AGCS auch, weil immer größere Schiffe für den Transport von Elektroantrieben zum Einsatz kommen. Oft fehle auch die zutreffende Deklarierung – nicht selten aus Kostengründen, denn die Kennzeichnung von Fracht als Gefahrgut verursacht zusätzliche Gebühren. Das führt nicht selten dazu, dass Batterien als Computerbauteile deklariert werden. Auf diese Weise lassen sie sich auf Schiffen transportieren, die nicht mit den erforderlichen Brandschutzmaßnahmen ausgestattet sind. Laut AGCS gehen rund ein Viertel der gemeldeten Brandvorfälle auf falsch deklarierte Güter zurück.

Bei Totalverlusten sind Brände die Hauptursache

Allein im Jahr 2022 kam es laut AGCS zu acht Schiffsverlusten und mehr als 200 Unfällen durch Brände von Elektroantrieben und Lithium-Ionen-Akkus – der höchste Wert seit zehn Jahren. In den letzten fünf Jahren seien aus diesen Gründen 64 Schiffe verloren gegangen. Doch es ist nicht nur die Zahl der Vorfälle, die alarmierend ist. Brände verursachen meist auch besonders hohe Schadenssummen. Das ermittelten die AGCS-Experten nach der Untersuchung von 250.000 Schadensfällen in der Transport- und Schiffskaskoversicherung.

Gegenläufig sind die Trends von Schäden durch Elektroantriebe und der Gesamtschadenszahl. Allein zwischen 2021 und 2022 ist deren Zahl von 59 auf 38 Schiffe gesunken. Innerhalb von zehn Jahren ist die Verlustrate um 65 Prozent gesunken. Dem steht der Anstieg bei Ausfällen durch Elektroantriebe und Lithium-Ionen-Akkus gegenüber. Sie gewinnen bei der Schadensminimierung zusehends an Bedeutung.

Besserer Brandschutz gefordert

Herkömmliche Brandschutzanlagen, wie sie auf Frachtschiffen üblicherweise eingebaut sind, können Brände von Akkus und Elektroantrieben nicht wirksam bekämpfen, so die Ansicht des Gesamtverbands deutscher Versicherer (GDV). Das Brandverhalten von Elektroautos unterscheide sich grundsätzlich von üblichen Bränden – darauf müssen sich Reeder einstellen.

Die zunehmende Zahl transportierter Elektroautos erfordere geeignete Maßnahmen beim Brandschutz, heißt es beim GDV. Schiffe, die Elektroautos transportieren, sollten daher baldmöglichst mit Systemen zum Versprühen von Hochdruck-Wassernebel ausgerüstet werden. Im Gegensatz zu den üblichen CO2-Löschanlagen sind sie in der Lage, Brandfälle bei Akkus schnell einzugrenzen und die Ausbreitung zu verhindern.

Die Anpassung von Brandschutzsystemen an die erhöhte Gefahrenlage durch Elektroantriebe und Lithium-Ionen-Akkus ist mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Im Vergleich mit dem Totalverlust eines Schiffs dürften die Ausgaben allerdings mehr als rentabel sein.

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