Eine Woche Grenzkontrollen in Deutschland: Polizeigewerkschaft zieht Negativ-Bilanz

Die seit kurzem wiedereingeführten Grenzkontrollen an deutschen Landesgrenzen haben eine breite Debatte über ihre Wirksamkeit und Notwendigkeit ausgelöst. Die Bundesregierung unter Innenministerin Nancy Faeser (SPD) begründete die Maßnahmen mit der zunehmenden Zahl irregulärer Einreisen und dem Schutz vor islamistischem Terrorismus. Doch bereits nach einer Woche ziehen Experten und Gewerkschaften ein ernüchterndes Fazit. Die Bilanz zeigt: Die erhoffte Reduzierung illegaler Migration und die Eindämmung des Menschenhandels sind bislang ausgeblieben. Kritische Stimmen kommen dabei nicht nur aus der Bundespolizei und Gewerkschaften, sondern auch von Nachbarstaaten und aus Brüssel.

Rückkehr zu Grenzkontrollen: Ein umstrittenes Mittel

Seit der vergangenen Woche werden die Kontrollen an den deutschen Landesgrenzen intensiviert. Neu sind vor allem die Maßnahmen an den Grenzen zu Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg. An den östlichen und südlichen Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz werden solche Kontrollen bereits seit längerer Zeit durchgeführt. Besonders im Fokus stehen dabei die Verhinderung von illegalen Einreisen und die Bekämpfung von Schleuserbanden. Innenministerin Faeser stellte klar, dass diese Maßnahmen zunächst auf sechs Monate befristet seien und verwies auf Sicherheitsrisiken durch den Anstieg von Gewaltkriminalität, unter anderem durch Geflüchtete.

Doch schon nach einer Woche ziehen Experten ein ernüchterndes Fazit. Laut der Gewerkschaft der Polizei (GdP) haben die Kontrollen bisher nur wenig zur Eindämmung der irregulären Migration beigetragen. „Die Zahl der Aufgriffe von unerlaubt Eingereisten sowie von Schleusern ist relativ gering“, erklärte Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bereichs Bundespolizei / Zoll, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch die Anzahl der Zurückweisungen sei, besonders an der Westgrenze, sehr niedrig geblieben. Diese Bilanz wirft die Frage auf, wie wirksam solche Kontrollen wirklich sind.

Lücken in der Kontrolle und Umgehungsstrategien

Ein wesentliches Problem bei den neuen Kontrollen ist die Tatsache, dass viele Schleuser und Migranten die offiziellen Kontrollstellen gezielt umfahren. „Kontrollstellen und Hauptstraßen werden schlicht umgangen“, so Roßkopf weiter. Selbst Busunternehmen weichen auf alternative Routen aus, um die polizeilichen Kontrollen zu vermeiden. Diese Praxis untergräbt die Effizienz der Maßnahmen erheblich. Auch fehlende Ausrüstung und unzureichende personelle Ressourcen tragen laut Roßkopf zur aktuellen Situation bei. Besonders im Westen Deutschlands, etwa an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden, sind nur stichprobenartige Kontrollen vorgesehen, was die Umgehung der Kontrollen zusätzlich erleichtert.

Heiko Teggatz, Vorsitzender der Deutschen Bundespolizeigewerkschaft, sieht die Leistung der Bundespolizei dennoch positiv. „Diese Woche hat gezeigt, dass die Bundespolizei kann, wenn man sie lässt“, sagte er gegenüber der „Rheinischen Post“. Teggatz spricht sich deutlich für eine Ausweitung der Kontrollen aus und fordert, dass die Überwachung auch auf andere westliche Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ausgeweitet wird. Gleichzeitig warnte er jedoch vor den Folgen für den Güterverkehr und Pendler, die durch die intensiveren Kontrollen lange Staus und Verzögerungen in Kauf nehmen müssten.

Schleuserbanden finden neue Wege

Während die Kontrollen im Osten Deutschlands bereits seit Jahren verschärft sind, scheint dies nun eine Verlagerung der Schleuserrouten in den Westen zu begünstigen. Der Bundespolizeigewerkschafter Teggatz geht davon aus, dass die Schlepperbanden aufgrund der verstärkten Kontrollen im Osten Deutschlands vermehrt auf Routen im Westen ausweichen werden. Eine Verlagerung des Migrationsstroms in westliche Bundesländer sei daher absehbar, so Teggatz. Sollte sich diese Vermutung bewahrheiten, könnten die westlichen Grenzen in Zukunft ebenso stark unter Druck geraten wie jene im Süden und Osten.

Die aktuelle Diskussion führt jedoch nicht nur zu nationalen Spannungen, sondern zieht auch internationale Kritik auf sich. Vor allem die Nachbarländer Deutschlands und Vertreter der EU haben sich kritisch zu den Maßnahmen geäußert. Besonders Belgien und Luxemburg äußerten Bedenken, dass die Kontrollen die Schengen-Freizügigkeit gefährden könnten. Der luxemburgische Innenminister Léon Gloden warnte, dass Grenzkontrollen innerhalb der EU nicht zur Regel werden dürften, da sie den freien Personenverkehr in Europa untergraben. Auch der belgische EU-Abgeordnete Pascal Arimont zweifelt an der Rechtmäßigkeit der Kontrollen und forderte eine juristische Prüfung durch die EU-Kommission.

Grenzkontrollen im Schengen-Raum: Ausnahme oder Rückschritt?

Das Schengen-Abkommen von 1985 garantiert den freien Personenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und ist ein Eckpfeiler der Europäischen Union. Grenzkontrollen sind im Schengen-Raum eigentlich nur in Ausnahmefällen und zeitlich begrenzt erlaubt, etwa im Falle von terroristischen Bedrohungen oder während der Pandemie. Die neuen deutschen Grenzkontrollen stellen diese Prinzipien jedoch auf die Probe. Kritiker warnen vor einem „Rückfall in die Hochzeit des Nationalismus“, wie es Jean-Claude Juncker, der frühere Präsident der Europäischen Kommission, ausdrückte.

Diese Bedenken teilt auch der österreichische EU-Abgeordnete der ÖVP, der die Maßnahmen als „verblüffende Kehrtwende“ der deutschen Bundesregierung bezeichnete. Er befürchtet, dass Deutschland durch diese einseitigen Maßnahmen versucht, seine innenpolitische Krise auf dem Rücken ganz Europas zu lösen. Auch Polens Regierungschef Donald Tusk kritisierte die Kontrollen als reine Symbolpolitik, die die Migrationsproblematik nicht nachhaltig lösen werde.

Die Zukunft der Grenzkontrollen

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Deutschland und Europa mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Während die Bundesregierung betont, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um die irreguläre Migration zu reduzieren, zweifeln viele Experten und Nachbarstaaten an ihrer langfristigen Wirksamkeit. Andreas Roßkopf betont, dass die Anzahl der Asylsuchenden, die nach Deutschland gelangen, trotz der Kontrollen unverändert hoch bleibe. Die Weiterleitung von Schutz- und Asylsuchenden an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Inland sei weiterhin notwendig und durch europäisches Recht vorgeschrieben.

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