Kirchenaustritte in Nordrhein-Westfalen: Ein Blick auf die aktuellen Zahlen
In den letzten zwei Jahren haben die Kirchenaustritte in Nordrhein-Westfalen (NRW) alarmierende Ausmaße angenommen. Die Statistiken belegen, dass sowohl die katholischen als auch die evangelischen Kirchen einen erheblichen Rückgang ihrer Mitgliederzahlen verzeichnen. Besonders auffällig sind die Zahlen im Raum Köln, wo die Austrittswelle besonders stark ausgeprägt ist. Doch was sind die Ursachen für diesen Trend, und wie verläuft der Austritt aus der Kirche?
Rekordzahlen beim Kirchenaustritt in NRW
Die Mitgliederzahlen der Kirchen in NRW haben in den letzten Jahren dramatisch abgenommen. Im Jahr 2023 verzeichnete Nordrhein-Westfalen einen historischen Rekord bei den Kirchenaustritten. Während im Jahr 2008 rund 5 Millionen Protestanten und 7,5 Millionen Katholiken in NRW lebten, sank die Zahl bis Ende 2023 auf 3,9 Millionen Protestanten und 6,1 Millionen Katholiken. Dies entspricht einem Rückgang des Anteils der Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung von 70 auf 55 Prozent. Besonders stark betroffen sind die großen Städte wie Köln, wo die Austrittszahlen besonders hoch sind.
Die Gründe für diesen massiven Rückgang sind vielfältig und oft komplex. Eine bundesweite Repräsentativbefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD hat gezeigt, dass viele Menschen keinen persönlichen Bezug mehr zur Kirche haben. Dies ist häufig ein Prozess, der schon in der Kindheit durch das Elternhaus geprägt wird.
Spezifische Gründe für den Austritt aus der katholischen Kirche
Besonders ausgeprägt sind die Gründe für den Austritt aus der katholischen Kirche. Eine Studie zeigt, dass 79 Prozent der ehemaligen Katholiken die Kindesmissbrauchsskandale als Hauptursache für ihren Austritt nennen. Weitere 63 Prozent empfinden die Ablehnung von Homosexualität innerhalb der Kirche als inakzeptabel. Finanzielle Verschwendung und missfallende kirchliche Stellungnahmen wurden von 61 Prozent beziehungsweise 45 Prozent der Befragten angeführt. Auch der Umgang mit gleichgeschlechtlichen Trauungen und die Kirchensteuer spielen eine Rolle, jedoch in geringerem Maße.
Gründe für den Austritt aus der evangelischen Kirche
Die Gründe für den Austritt aus der evangelischen Kirche sind ähnlich gelagert. 41 Prozent der Austretenden nennen Missbrauchsfälle als Hauptursache, gefolgt von 39 Prozent, die finanzielle Verschwendung als Grund angeben. 31 Prozent zeigen sich über öffentliche kirchliche Äußerungen verärgert. Weitere Gründe sind der Umbruch im eigenen Leben, die Ablehnung von Homosexualität und die Unterstützung für Geflüchtete.
Der bürokratische Weg zum Kirchenaustritt
Für die, die sich entscheiden, die Kirche zu verlassen, ist der bürokratische Prozess ein entscheidender Schritt. Je nach Amtsgericht und Bundesland variiert die Wartezeit auf einen Termin für den Kirchenaustritt erheblich. An manchen Standorten ist es möglich, innerhalb einer Woche einen Termin zu erhalten, während es an anderen bis zu sechs Wochen dauern kann. Die Kirchenaustrittsgesetze sind auf Länderebene geregelt, daher können sich die Details von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.
Vor- und Nachteile eines Kirchenaustritts
Vorteile
Ein wesentlicher Vorteil eines Kirchenaustritts ist die finanzielle Ersparnis. Die durchschnittliche Kirchensteuer beträgt in Deutschland etwa 300 Euro pro Jahr. In einigen Bundesländern, wie beispielsweise Baden-Württemberg und Bayern, fällt die Kirchensteuer sogar noch höher aus. Für viele ist dies ein erheblicher Anreiz, aus der Kirche auszutreten.
Des Weiteren entfällt durch den Austritt der Anspruch auf kirchliche Dienstleistungen wie Trauungen und Taufen vor dem Altar. Auch der Religionsunterricht in Schulen kann für nicht-religiöse Kinder vermieden werden, was für einige Familien von Bedeutung ist.
Nachteile
Ein Nachteil des Kirchenaustritts kann der bürokratische Aufwand sein. Um aus der Kirche auszutreten, muss ein Termin bei einem Standesamt, Einwohnermeldeamt oder Amtsgericht vereinbart werden. Dabei sind Gebühren zu zahlen, die je nach Bundesland variieren. Zudem kann der Austritt die Berufschancen in kirchlich gebundenen Berufen wie in der Medizin oder Pädagogik beeinträchtigen.
Ein weiterer Nachteil ist der Verlust des Zugangs zu kirchlichen Zeremonien, die für viele Menschen von großer Bedeutung sind. Auch wenn weltliche Alternativen existieren, bleibt der Wegfall der kirchlichen Begleitung ein Verlust für diejenigen, die auf diese Traditionen Wert legen.
Aktuelle Entwicklungen und Ausblick
Im Jahr 2023 gab es einen leichten Rückgang der Kirchenaustritte im Vergleich zu 2022. Die katholische Kirche verzeichnete 402.000 Austritte, was einen Rückgang von rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Trotzdem bleiben die Zahlen hoch, und die Kirche steht vor der Herausforderung, diesem Trend entgegenzuwirken.
Das Erzbistum Köln, das im vergangenen Jahr mit über 40.000 Austritten an der Spitze der Statistik steht, versucht, durch Reformen und eine verstärkte Kommunikation mit den Gläubigen gegenzusteuern. Die Bewegung „Wir sind Kirche“ fordert tiefgreifende Reformen und eine stärkere Teilnahme der Laien am kirchlichen Leben, um den kontinuierlichen Schrumpfungsprozess zu bremsen.