Prekäre Lage der deutschen Krankenhäuser: Steigende Kosten und ungelöste Reformen
Die finanzielle Situation der deutschen Krankenhäuser hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Hohe Betriebskosten, eine unzureichende Vergütung durch die Krankenkassen und eine unzureichende Finanzierung durch Bund und Länder führen dazu, dass viele Kliniken an den Rand ihrer Existenzfähigkeit geraten. Experten warnen vor drastischen Einschränkungen in der Patientenversorgung, wenn nicht schnell gehandelt wird. Doch trotz diverser Reformbemühungen und politischer Diskussionen bleibt die Lage angespannt.
Explodierende Betriebskosten – Krankenhäuser unter Druck
Die Betriebskosten deutscher Krankenhäuser sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Neben den üblichen Ausgaben für Personal, Energie und Instandhaltung treiben vor allem die steigenden Löhne und die Inflation die Kosten in die Höhe. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, betonte kürzlich, dass die finanzielle Lage der Krankenhäuser so ernst sei wie nie zuvor. Die DKG rechnet für das laufende Jahr mit einem Defizit von rund sechs Milliarden Euro. „Ohne einen Ausgleich für diese Inflationsfolgen sind immer mehr Häuser in ihrer Existenz bedroht“, erklärte Gaß.
Einer der Hauptkritikpunkte an der aktuellen Situation ist, dass die Vergütung der Krankenkassen für die Krankenhäuser nicht an die steigenden Kosten angepasst wurde. Zwar haben sich die Ausgaben der Krankenkassen für Krankenhausbehandlungen erhöht – allein 2023 um 6,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr –, doch diese Steigerung reicht bei Weitem nicht aus, um die stark gestiegenen Betriebskosten zu decken. Dies führt dazu, dass viele Kliniken trotz höherer Vergütungen in den roten Zahlen bleiben.
Kritik an Lauterbachs geplanter Krankenhausreform
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht aufgrund seiner geplanten Krankenhausreform stark in der Kritik. Ziel der Reform ist es, die Finanzierung der Kliniken zu stabilisieren und die Qualität der Versorgung zu sichern. Lauterbachs Konzept sieht unter anderem vor, die Vergütung von Behandlungsfällen zu ändern und eine sogenannte Vorhaltefinanzierung einzuführen. Hierbei sollen Kliniken bereits 60 Prozent der Vergütung für das bloße Vorhalten von Versorgungsstrukturen erhalten, unabhängig von der Anzahl der behandelten Patienten.
Jedoch sehen viele Experten die Reform als unzureichend an. Judith Gerlach, Bayerns Gesundheitsministerin, kritisierte das Konzept scharf und bezeichnete es als unzureichend. Insbesondere in ländlichen Regionen drohe eine Verschlechterung der Versorgung, was unbedingt verhindert werden müsse. Auch die DKG forderte erhebliche Nachbesserungen am Gesetzentwurf und rief die Länder dazu auf, die Reform im Bundesrat zu blockieren. Es besteht die Befürchtung, dass die Reform die finanziellen Probleme der Kliniken nicht nachhaltig lösen wird und stattdessen nur kosmetische Änderungen vornimmt.
Patientenversorgung in Gefahr
Die schwierige finanzielle Lage der Krankenhäuser hat bereits spürbare Auswirkungen auf die Patientenversorgung. Viele Kliniken sehen sich gezwungen, drastische Sparmaßnahmen zu ergreifen, die oftmals versorgungsrelevante Bereiche betreffen. Gerald Gaß warnte davor, dass es zu längeren Wartelisten für planbare Operationen kommen könnte, sollte die finanzielle Lage nicht verbessert werden. Er betonte, dass das deutsche Gesundheitssystem drohe, sein Markenzeichen – den schnellen Zugang zu Krankenhäusern – zu verlieren. In anderen Ländern sei die sogenannte „Wartelistenmedizin“ bereits Realität, und auch in Deutschland könnte es bald so weit sein, wenn die Politik nicht schnell handelt.
Besonders bedrohlich ist die Situation in kleineren und ländlichen Kliniken. Diese haben oft nicht die finanziellen Mittel, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, und müssen immer häufiger schließen. Seit Anfang 2022 haben bereits 43 Krankenhäuser in Deutschland geschlossen, darunter auch sechs in Bayern. Weitere Kliniken stehen kurz vor der Insolvenz.
Wer trägt die Verantwortung?
Die Frage nach der Verantwortung für die finanzielle Misere der Krankenhäuser ist umstritten. Einerseits sieht Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger die Bundesregierung in der Pflicht. Er argumentiert, dass der Bund durch gesetzliche Rahmenbedingungen die Betriebskosten von Krankenhäusern beeinflusst und daher eine Mitverantwortung trägt. Aiwanger kritisiert, dass vier von fünf Krankenhäusern in Deutschland rote Zahlen schreiben, weil die Bundesregierung die Kosten für Personal, Energie und andere Betriebskosten nicht ausreichend abdeckt.
Doch die Verantwortung liegt nicht allein beim Bund. Die Krankenkassen sind für die Vergütung der Krankenhausleistungen zuständig, und ihre Einnahmen stammen größtenteils aus den Beiträgen der Versicherten. Der Bund hat jedoch die Möglichkeit, über Gesetzesänderungen die Vergütungssysteme zu beeinflussen und somit indirekt auf die finanzielle Lage der Kliniken einzuwirken. So hat die Bundesregierung Ende 2022 das Krankenhausentgeltgesetz geändert, um den Krankenhäusern zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus sind auch die Bundesländer in der Pflicht, denn sie tragen die Verantwortung für die Finanzierung von Investitionskosten, wie etwa für den Bau neuer Gebäude oder die Anschaffung medizinischer Geräte. Doch auch hier fehlt es vielerorts an ausreichend Mitteln. Die Länder geben oft nur die Hälfte dessen, was tatsächlich benötigt wird, um die Investitionen der Krankenhäuser zu decken. In Bayern beispielsweise investierte der Freistaat 2023 rund 643 Millionen Euro in Krankenhäuser, was jedoch bei Weitem nicht ausreicht, um den tatsächlichen Bedarf zu decken.
Lösungsansätze und Zukunftsperspektiven
Die finanzielle Misere der deutschen Krankenhäuser ist ein komplexes Problem, das eine ganzheitliche Lösung erfordert. Experten fordern eine umfassende Reform des Vergütungssystems, die sowohl die Betriebskosten der Kliniken deckt als auch Investitionen in die Infrastruktur ermöglicht. Zudem muss die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern Maßnahmen ergreifen, um die Kliniken vor dem drohenden finanziellen Kollaps zu bewahren.