Neue Klimaklage der Umweltverbände gegen die Bundesregierung

Die Klimapolitik der Bundesregierung steht weiterhin im Kreuzfeuer der Kritik. Bereits im Jahr 2021 erreichten Umweltverbände einen bedeutenden Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht. Damals urteilte das Gericht, dass die Politik mehr unternehmen müsse, um die nationalen Klimaziele zu erreichen und diese nicht auf Kosten künftiger Generationen hinauszuzögern. Doch die Realität zeigt: Die Bundesregierung befindet sich weiterhin nicht auf Kurs. Nun zieht erneut eine große Gruppe von Umweltverbänden und Unterstützern vor das Bundesverfassungsgericht, um die Klimapolitik zu verschärfen.

Klimaklage mit breiter Unterstützung: Über 54.000 Mitkläger

Die neue Verfassungsbeschwerde, die Greenpeace und Germanwatch gemeinsam einreichen, findet breite Unterstützung. Über 54.000 Menschen haben sich der Klage angeschlossen. Es handelt sich um eine sogenannte „Zukunftsklage“, die den Klimaschutz auf eine rechtlich verbindliche Ebene heben soll. Erstmals konnten sich dabei alle in Deutschland lebenden Menschen ab 14 Jahren als Mitkläger beteiligen. Ein bedeutendes Zeichen dafür, dass die Klimakrise viele Menschen betrifft und die Forderungen nach strengeren Maßnahmen lauter werden.

Im Zentrum der Klage steht die Reform des Klimaschutzgesetzes, die die Bundesregierung im Frühjahr verabschiedet hatte. Diese Reform ist nach Ansicht der Umweltverbände eine Abschwächung der bisherigen Regelungen und konterkariert das Ziel, die Treibhausgasemissionen ausreichend zu reduzieren.

Die umstrittene Reform des Klimaschutzgesetzes

Das Klimaschutzgesetz, das in seiner neuen Version im Juli 2023 in Kraft trat, stellt den zentralen rechtlichen Rahmen für die Reduktion der Treibhausgase in Deutschland dar. Es wurde jedoch massiv kritisiert, da es die strikten Vorgaben für einzelne Sektoren wie Verkehr, Industrie und Gebäude aufweicht. In der früheren Fassung des Gesetzes musste jedes dieser Segmente individuelle Ziele zur Reduktion der CO₂-Emissionen erreichen. Falls diese nicht erfüllt wurden, war das zuständige Ministerium verpflichtet, sofortige Gegenmaßnahmen einzuleiten. Dies betraf vor allem den Verkehrssektor, der seine Vorgaben wiederholt verfehlte.

Durch die Reform wurde diese strenge Regelung aufgehoben. Künftig soll die Einhaltung der Klimaziele sektorenübergreifend betrachtet werden. Es ist nicht mehr notwendig, dass jeder Bereich seine Emissionen gesondert senkt. Stattdessen wird auf eine mehrjährige Gesamtschau gesetzt, bei der die Emissionen dort reduziert werden sollen, wo das größte Einsparpotenzial besteht. Diese Änderung sorgt bei Umweltschützern für Unmut. Sie befürchten, dass dadurch besonders kritische Sektoren, wie der Verkehr, aus der Verantwortung entlassen werden. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der bisher Schwierigkeiten hatte, die Klimaziele seines Ressorts zu erreichen, könnte von dieser Lockerung profitieren.

Verzögerte Klimaschutzmaßnahmen und ihre Konsequenzen

Rechtsanwältin Roda Verheyen, die die Kläger vertritt, wirft der Bundesregierung vor, wirksame und sozial gerechte Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen zu verzögern. Sie argumentiert, dass die Verschleppung dieser Maßnahmen nicht nur klimapolitisch unverantwortlich, sondern auch verfassungswidrig sei. Sie verweist darauf, dass die Grundrechte, insbesondere die Freiheits- und Gleichheitsrechte, verletzt würden, wenn die Regierung nicht rechtzeitig und konsequent auf die Klimakrise reagiert.

Die Novelle des Klimaschutzgesetzes sei laut Verheyen genau das Gegenteil dessen, was zur Einhaltung der Grundrechte erforderlich sei. Um die Rechte der Bevölkerung zu schützen, müssten die Emissionen rechtzeitig gesenkt und langfristige Strategien zur CO₂-Reduktion entwickelt werden. Die Verfassungsbeschwerde zielt daher auf eine stärkere Verankerung des Klimaschutzes in der Gesetzgebung ab.

Erneuter Gang nach Karlsruhe: Die Bedeutung der Verfassungsbeschwerde

Es ist nicht das erste Mal, dass die Klimapolitik der Bundesregierung vor das Bundesverfassungsgericht gebracht wird. Bereits 2021 entschieden die Richter zugunsten der Umweltverbände und verpflichteten die Politik dazu, ambitioniertere Ziele zu verfolgen. Das damalige Urteil hatte weitreichende Konsequenzen für die deutsche Klimapolitik, da es das Grundrecht auf Klimaschutz anerkannte und die Bundesregierung dazu aufforderte, Maßnahmen zur Vermeidung von langfristigen Schäden für zukünftige Generationen zu ergreifen.

Trotz dieses richtungsweisenden Urteils kritisieren die Verbände, dass die Bundesregierung nicht genug tut, um die Klimaziele für 2030 und darüber hinaus zu erreichen. Die jetzt eingereichte Verfassungsbeschwerde ist eine von drei Klagen, die gegen die unzureichende Klimapolitik erhoben wurden. Neben Greenpeace und Germanwatch haben auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ähnliche Klagen eingereicht. Ziel aller Klagen ist es, die Regierung zu zwingen, entschlossenere und wirksamere Maßnahmen zu ergreifen.

Ein globales Phänomen: Die Zunahme von Klimaklagen

Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem Umweltverbände die Regierung vor Gericht bringen. Weltweit nehmen Klimaklagen zu. Aktivisten und Umweltorganisationen sehen in der Justiz eine Möglichkeit, den Klimaschutz voranzutreiben, wenn die Politik nicht handelt. Besonders in Europa und den USA haben sich Gerichtsverfahren in den letzten Jahren als wirkungsvolle Hebel erwiesen, um die Einhaltung von Klimazielen zu erzwingen. Das Pariser Klimaabkommen und die darin festgelegten internationalen Verpflichtungen haben den rechtlichen Rahmen für viele dieser Verfahren geschaffen.

In Deutschland steht nun besonders der Verkehrssektor im Fokus der Klage. Nach Ansicht der Kläger muss die Bundesregierung drastische Maßnahmen ergreifen, um die Emissionen in diesem Bereich zu reduzieren. Der Verkehrssektor ist seit Jahren ein Sorgenkind der deutschen Klimapolitik. Trotz diverser Initiativen und Programme wurden die Emissionsziele bisher nicht erreicht. Die Lockerungen, die durch das neue Klimaschutzgesetz eingeführt wurden, verschärfen dieses Problem nach Ansicht der Kritiker weiter.

Ein neuer Anlauf für strengere Klimaziele

Die aktuelle Verfassungsbeschwerde ist ein erneuter Versuch, die Bundesregierung zu zwingen, ihre Klimapolitik zu überdenken und nachzuschärfen. Die Umweltverbände argumentieren, dass das neue Klimaschutzgesetz eine Verwässerung darstellt und die dringend notwendigen Reduktionen der Treibhausgasemissionen verhindert. Der Erfolg der Klage könnte weitreichende Folgen für die deutsche Klimapolitik haben und den Druck auf die Regierung erhöhen, ihre Strategie grundlegend zu ändern.

Weiterführende Beiträge