Ein turbulentes Jahr für BioNTech: Von Gerichtsstreitigkeiten bis hin zu neuen Forschungshorizonten

Die BioNTech SE, ein prominentes Biotechnologieunternehmen aus Mainz, das während der COVID-19-Pandemie mit dem Impfstoff Comirnaty weltweit bekannt wurde, steht derzeit vor vielfältigen Herausforderungen und Chancen. Von gerichtlichen Auseinandersetzungen in den USA bis hin zu neuen Forschungszielen und finanziellen Schwierigkeiten – das vergangene Jahr war für BioNTech alles andere als ruhig.

Lizenzstreit in den USA

Ein zentraler Punkt der aktuellen Probleme von BioNTech ist eine Klage, die von der Universität von Pennsylvania eingereicht wurde. Die Universität fordert höhere Lizenzgebühren für den Einsatz der mRNA-Technologie, die von den Nobelpreisträgern Katalin Kariko und Drew Weissman entwickelt wurde. Diese Technologie bildet die Grundlage des Impfstoffs Comirnaty, den BioNTech in Zusammenarbeit mit Pfizer entwickelt hat. Laut der Universität schuldet BioNTech einen größeren Anteil an den weltweiten Verkäufen des Impfstoffs. Die Hochschule verlangt Schadensersatz und eine Anpassung der Lizenzgebühren für alle in Ländern mit gültigen Patenten produzierten Impfstoffdosen.

Die Klage reiht sich in eine Serie von Patentstreitigkeiten um COVID-19-Impfstoffe ein und wirft ein Schlaglicht auf die komplexen rechtlichen und finanziellen Aspekte der Biotechnologiebranche. BioNTech selbst hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Finanzielle Herausforderungen und Verluste

Die Pandemie brachte BioNTech zunächst enorme Gewinne. 2021 erzielte das Unternehmen mit dem Verkauf von Comirnaty einen Umsatz von knapp 19 Milliarden Euro, der 2022 noch bei gut 17 Milliarden Euro lag. Doch 2023 schrumpften die Einnahmen drastisch auf unter vier Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2024 verzeichnete BioNTech sogar einen Nettoverlust von über 1,1 Milliarden Euro.

Die finanziellen Schwierigkeiten resultieren hauptsächlich aus dem sinkenden Bedarf an COVID-19-Impfstoffen. Während der Pandemie waren Lockdowns und Ausgangssperren Treiber der hohen Nachfrage. Mit der fortschreitenden Immunisierung der Bevölkerung und dem Ausbleiben neuer Pandemiewellen ist die Nachfrage jedoch stark zurückgegangen. BioNTech prognostiziert für dieses Jahr Einnahmen zwischen 2,5 und 3,1 Milliarden Euro durch den Impfstoff, was deutlich unter den Erwartungen liegt.

Rückkehr zu den Wurzeln: Krebsforschung

Angesichts der abnehmenden Einnahmen aus dem COVID-19-Impfstoffgeschäft konzentriert sich BioNTech nun wieder verstärkt auf seine ursprünglichen Forschungsgebiete, insbesondere die Onkologie. Das Unternehmen investiert massiv in die Entwicklung neuer Krebsmedikamente und hofft, bis 2026 das erste zugelassene Präparat auf den Markt bringen zu können. Danach soll jährlich ein weiteres Medikament folgen.

Im zweiten Quartal 2024 investierte BioNTech 525,6 Millionen Euro in nicht-COVID-19-bezogene Aktivitäten, hauptsächlich in die Krebsforschung und die Entwicklung von Medikamenten gegen Infektionskrankheiten. Dies entspricht etwa 90 Prozent der gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben des Unternehmens in diesem Zeitraum.

Herausforderungen für die Stadt Mainz

Auch die Stadt Mainz, Heimat von BioNTech, spürt die finanziellen Auswirkungen des nachlassenden Impfstoffbooms. Während der Pandemie profitierte die Stadt erheblich von den Steuereinnahmen des Unternehmens und konnte ihre Schulden tilgen. Doch mit den sinkenden Einnahmen bei BioNTech steht Mainz nun vor einem Haushaltsdefizit von 90 Millionen Euro für das Jahr 2024. Der Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase betonte die Notwendigkeit einer realistischeren Haushaltsplanung und stellte klar, dass jedes Projekt auf den Prüfstand gestellt werde.

Der Blick nach vorne

Trotz der aktuellen Herausforderungen bleibt BioNTech optimistisch und setzt auf die langfristige Entwicklung bahnbrechender Medikamente. Das Unternehmen hat derzeit 41 Medikamente in der Pipeline, von denen zwei bereits in der letzten Phase der klinischen Erprobung sind. Insbesondere ein Medikament gegen fortgeschrittenen schwarzen Hautkrebs zeigt vielversprechende Zwischenergebnisse.

Analysten wie Stefan Riße von Acatis sehen in BioNTech nach wie vor ein Unternehmen mit großem Potenzial, auch wenn kurzfristige Verluste unvermeidbar sind. Die langfristige Aussicht auf revolutionäre Medikamente, insbesondere in der Onkologie, könnte BioNTech zu einem führenden Akteur in der Biotechnologie machen.

Der neue Hype: Abnehmspritzen

Während BioNTech an neuen medizinischen Durchbrüchen arbeitet, hat sich das Interesse der Anleger teilweise auf ein anderes Produkt verlagert: Abnehmspritzen. Unternehmen wie Novo Nordisk und Eli Lilly haben in den letzten Jahren enorm an Wert gewonnen, da ihre Produkte zur Gewichtsreduktion auf großes Interesse stoßen. Die World Obesity Federation prognostiziert eine Verdopplung der Zahl adipöser Menschen bis 2035, was diesen Markt noch attraktiver macht.

Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um Lizenzgebühren, die finanziellen Verluste und die Umstellung auf neue Forschungsgebiete markieren eine Zeit des Umbruchs. Doch mit einer starken Fokussierung auf die Onkologie und die Entwicklung innovativer Medikamente könnte BioNTech weiterhin eine bedeutende Rolle in der Biotechnologie spielen.

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