Die Brückensituation in Deutschland: Zwischen maroden Bauwerken und teuren Sanierungen

Deutschland ist weltweit für seine gut ausgebaute Infrastruktur bekannt, doch hinter dieser Fassade gibt es eine dunkle Seite: die veralteten und sanierungsbedürftigen Brücken. Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden im September 2024 hat das Thema erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Trotz regelmäßiger Prüfungen stehen viele Brücken vor großen Herausforderungen. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie sicher Deutschlands Brücken wirklich sind und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um zukünftige Unglücke zu verhindern.

Wie werden Brücken in Deutschland geprüft?

Brücken in Deutschland unterliegen regelmäßigen und strengen Prüfungen, die nach der DIN 1076 geregelt sind. Alle sechs Jahre wird eine sogenannte „Hauptprüfung“ durchgeführt, bei der die Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit der Bauwerke auf den Prüfstand gestellt werden. Hierbei werden auch schwer zugängliche Teile der Brücken „handnah“ inspiziert. Zusätzlich gibt es alle drei Jahre eine vereinfachte Inspektion und jährlich eine Sichtprüfung. Sollten Unfälle oder andere außergewöhnliche Ereignisse auftreten, werden Sonderprüfungen anberaumt. Die Zustandsnoten, die den Brücken vergeben werden, reichen von 1,0 bis 4,0, wobei eine Note von 3,5 oder schlechter auf dringende Sanierungsbedarfe hinweist.

Der Zustand der Brücken in Deutschland: Ein Überblick

In Deutschland gibt es insgesamt etwa 130.000 Brücken, die entweder in die Verantwortung des Bundes, der Länder oder der Kommunen fallen. Etwa 39.500 Brücken gehören zum Fernstraßennetz des Bundes. Von diesen Bauwerken sind etwa 4.000 besonders sanierungsbedürftig. Besonders alarmierend ist, dass viele dieser Brücken aus den 1960er und 1970er Jahren stammen und aus Spannbeton gefertigt wurden – einem Material, das sich im Laufe der Zeit als anfällig für Schäden erwiesen hat. Rund 70 Prozent der deutschen Autobahnbrücken bestehen aus Spannbeton, und der Einsturz der Carolabrücke ist ein weiteres Beispiel dafür, wie problematisch der Zustand dieser Bauwerke sein kann.

Ein Blick auf die Zahlen des Bundesamtes für Straßenwesen (BASt) aus dem Jahr 2024 zeigt, dass die Situation zwar eine leichte Verbesserung im Vergleich zu den Vorjahren erfahren hat, aber noch lange nicht zufriedenstellend ist. Im Jahr 2018 befanden sich rund 12,5 Prozent der Fernstraßenbrücken in einem „nicht ausreichenden“ oder „ungenügenden“ Zustand. Im Jahr 2024 hat sich dieser Wert auf etwa fünf Prozent verbessert, dennoch bleiben viele Brücken in einem Zustand, der umfassende Sanierungen erfordert.

Die Rolle des Verkehrsministeriums und die Forderung nach Investitionen

Die deutschen Brücken stehen in direktem Zusammenhang mit den Investitionen, die in den vergangenen Jahren in die Infrastruktur geflossen sind – oder eben nicht geflossen sind. Laut Verkehrsminister Volker Wissing stehen im Jahr 2025 über neun Milliarden Euro für Investitionen in Bundesfernstraßen und Brücken bereit. Dennoch reicht diese Summe nach Einschätzung von Experten bei Weitem nicht aus, um die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weist darauf hin, dass es nicht nur darum geht, immer höhere Summen zu fordern, sondern auch konkrete Pläne zu entwickeln, wie diese Mittel effizient eingesetzt werden können.

Diese Investitionen sind notwendig, um die Versäumnisse der letzten Jahre aufzuholen. Insbesondere der zunehmende Schwerlastverkehr setzt den Brücken erheblich zu. Seit den 1950er Jahren hat sich das Gesamtgewicht der Lastwagen von 24 auf 40 Tonnen erhöht, und auch die Achslasten sind deutlich gestiegen. Ein Lkw richtet heute etwa den gleichen Schaden an wie 15.000 Pkw. Diese Belastungen führen dazu, dass viele Brücken den aktuellen Verkehrslasten nicht mehr standhalten können.

Bürokratische Hürden und der Fachkräftemangel

Eine der größten Herausforderungen bei der Sanierung von Brücken in Deutschland sind nicht nur die knappen Finanzmittel, sondern auch die langwierigen Planungs- und Genehmigungsprozesse. Der Bundesrechnungshof kritisiert, dass die zuständige Autobahn GmbH mit der Modernisierung der Brücken nicht hinterherkommt. Geplante Projekte scheitern oft an bürokratischen Hürden oder am Mangel an qualifizierten Fachkräften. Auch die Verfügbarkeit von Baumaterialien stellt ein weiteres Problem dar.

Darüber hinaus müssen viele Brücken während der Sanierung weiterhin für den Verkehr geöffnet bleiben, was die Arbeiten zusätzlich erschwert und verzögert. Diese Faktoren tragen dazu bei, dass sich die Sanierungen oft über Jahre hinweg ziehen. Die Rahmedebrücke auf der A45, die 2023 gesprengt wurde, ist ein Paradebeispiel dafür, wie lange es dauern kann, bis eine Brücke vollständig erneuert ist. Der Ersatzbau soll erst 2026 fertiggestellt werden.

Der Fall der Carolabrücke: Ein Weckruf

Der Einsturz eines Teils der Carolabrücke in Dresden im September 2024 war ein schockierendes Ereignis, das glücklicherweise ohne Todesopfer blieb. Bereits drei Jahre vor dem Unglück hatte ein Sachverständiger „maßgebende Schäden“ an dem Bauwerk festgestellt. Besonders der Gleisbereich der Brücke war in einem desolaten Zustand, was die Einsturzgefahr erhöhte. Trotz der bekannten Mängel wurden die notwendigen Sanierungen immer wieder verschoben. Nun, nach dem Einsturz, steht die Stadt Dresden vor enormen Herausforderungen. Die Sanierung des eingestürzten Abschnitts war bereits für das Jahr 2025 geplant und sollte bis 2026 abgeschlossen sein.

Der Fall der Carolabrücke ist jedoch kein Einzelfall. Weitere prominente Beispiele für marode Brücken sind die Moseltalbrücke an der A61 und die Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp. Beide Bauwerke wurden in den letzten Jahren wegen erheblicher Schäden gesperrt oder nur eingeschränkt genutzt. Auch die Rheinbrücke bei Leverkusen, die eine Note von 3,9 erhielt, ist in einem desolaten Zustand und wird derzeit saniert.

Was bringt die Zukunft?

Bundesverkehrsminister Wissing hat angekündigt, bis 2042 etwa 8.000 Autobahnbrücken des Bundes zu modernisieren, die Hälfte davon bis 2032. Doch ob diese Pläne umgesetzt werden können, bleibt fraglich. Der Bundesrechnungshof hat Zweifel, dass die verfügbaren Mittel und Ressourcen ausreichen, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen.

Die Deutsche Bahn, die ebenfalls zahlreiche marode Brücken in ihrem Netz hat, hat sich das Ziel gesetzt, bis 2029 etwa 2.000 ihrer insgesamt 25.700 Brücken zu sanieren. Angesichts der Tatsache, dass viele dieser Bauwerke über 100 Jahre alt sind, ist dies eine dringende Maßnahme.

Der Einsturz der Carolabrücke hat erneut gezeigt, dass die Zeit drängt. Obwohl in den letzten Jahren erste Fortschritte erzielt wurden, bleibt noch viel zu tun. Neben ausreichenden finanziellen Mitteln sind vor allem effizientere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Beseitigung des Fachkräftemangels entscheidend, um zukünftige Unglücke zu verhindern und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.

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