Die Vier-Tage-Woche in deutschen Unternehmen: Das Pilotprojekt im Fokus

Die Diskussion um die Vier-Tage-Woche ist in vollem Gange. 45 deutsche Unternehmen testen seit Februar dieses Arbeitszeitmodell in einem sechsmonatigen Pilotprojekt. Die Ergebnisse versprechen Einblicke in die Potenziale und Herausforderungen dieser Arbeitsweise. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die bisherigen Erkenntnisse und zeigen, wie unterschiedlich die Umsetzung in verschiedenen Branchen und Unternehmen aussieht.

Die teilnehmenden Unternehmen stammen aus unterschiedlichsten Branchen – von Industrie und Handwerk über Beratungen bis hin zu IT-Sektoren. Diese Vielfalt zeigt sich auch in den verschiedenen Modellen, wie die Vier-Tage-Woche umgesetzt wird. Carsten Meier, Co-Initiator des Projekts und Mitgründer der Unternehmensberatung Intraprenör, erklärt: „Es besteht der Mythos, dass eine Vier-Tage-Woche bedeutet, montags oder freitags einen Tag freizumachen. Vielmehr haben die Teilnehmer in einem Prozess für sich herausgefunden, welches Modell am besten zu ihrem Unternehmen passt.“

Verschiedene Modelle der Vier-Tage-Woche

In der Praxis haben sich bis zu zwölf unterschiedliche Modelle herausgebildet. Einige Unternehmen haben die klassische Variante gewählt, bei der die 40-Stunden-Woche durch den Wegfall eines festen Arbeitstages um 20 Prozent reduziert wird. In anderen Unternehmen werden 36 Stunden auf vier Tage aufgeteilt, wobei die Mitarbeitenden täglich neun Stunden arbeiten. Ein weiteres Modell ist die 4,5-Tage-Woche, bei der jede zweite Woche ein Tag entfällt. Diese Flexibilität zeigt, dass es nicht pauschal darum geht, die Arbeitszeit zu reduzieren, sondern herauszufinden, wie mit weniger Zeit und flexiblen Prozessen die gleiche Leistung erzielt werden kann.

Herausforderungen bei der Einführung

Die Einführung der Vier-Tage-Woche gestaltete sich für viele Unternehmen schwieriger als erwartet. Rund 40 Prozent der Unternehmen benötigten länger für die Vorbereitungen und konnten erst im März oder später starten. Carsten Meier betont, dass es dabei nicht nur um die Anpassung der Arbeitsprozesse geht, sondern auch darum, wie man das Team in diesem Veränderungsprozess führt. Manche Mitarbeiter stehen der Vier-Tage-Woche offener gegenüber als andere, was zusätzliche Herausforderungen in der Teamführung mit sich bringt.

Ursprünglich war das Konzept 100-80-100 vorgegeben: 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Bezahlung. Doch knapp die Hälfte der teilnehmenden Organisationen reduzierte die Arbeitszeit nur um maximal 10 Prozent. Lediglich 38 Prozent der Unternehmen kürzten die Arbeitszeit um genau 20 Prozent. Diese konservative Reduktion zeigt, dass deutsche Unternehmen vorsichtiger an die Umsetzung herangehen als ihre internationalen Pendants.

Besonders schwierig gestaltet sich die Umsetzung in Branchen wie der Industrie oder sozialen Einrichtungen wie Kitas. Hier geht es oft weniger um Prozessoptimierungen, sondern vielmehr darum, mehr Mitarbeitende anzulocken und offene Stellen zu besetzen. Zwei Unternehmen haben die Studie bereits nach zwei Monaten beendet, was jedoch mehr mit wirtschaftlichen Herausforderungen als mit der Vier-Tage-Woche selbst zu tun hatte.

Erste positive Ergebnisse

Trotz der Herausforderungen zeigen sich auch erste positive Effekte. Unternehmen, die mit der Vier-Tage-Woche werben, erhalten deutlich mehr Bewerbungen. Bewerberinnen und Bewerber suchen zunehmend nach flexiblen Arbeitsmodellen, was die Attraktivität der Arbeitgeber steigert. Zudem berichten Unternehmen von einer höheren Partizipation und Motivation der bestehenden Mitarbeitenden. Viele sind eher bereit, Verantwortung zu übernehmen und neue Ideen einzubringen.

Digitalisierung und KI als Unterstützungsfaktoren

Der Zwischenbericht deutet darauf hin, dass die Änderung der Arbeitszeiten einen Schub bei der Digitalisierung bewirken könnte. Einige Unternehmen haben lange geplante digitale Lösungen eingeführt, um ihre Prozesse anzupassen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wurde ebenfalls häufig genannt, was die Initiatoren überraschte. Im Mittelstand, dem oft vorgeworfen wird, bei solchen Themen zu langsam zu sein, könnte die Vier-Tage-Woche also auch als Katalysator für technologische Innovationen wirken.

Nicht repräsentative Ergebnisse

Da die Teilnahme am Projekt freiwillig ist, sind die Ergebnisse nicht repräsentativ für die gesamte Arbeitswelt. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen hat zwischen zehn und 49 Mitarbeitende, wobei der Bereich „Beratungs- und Agenturdienstleistungen“ am stärksten vertreten ist. Diese Einschränkung gilt es bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen.

Das Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche in Deutschland dauert noch bis in den Sommer an. Die ersten belastbaren Daten werden Ende Oktober erwartet. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen jedoch bereits, dass die Vier-Tage-Woche nicht nur Herausforderungen, sondern auch erhebliche Potenziale mit sich bringt. Unternehmen, die flexible Arbeitsmodelle anbieten, können ihre Attraktivität steigern und gleichzeitig die Produktivität ihrer Mitarbeitenden erhöhen. Die Einführung der Vier-Tage-Woche erfordert jedoch eine sorgfältige Planung und Anpassung der Arbeitsprozesse sowie eine unterstützende Führungskultur.

Weiterführende Beiträge