Chinas Wirtschaft: Zwischen Wachstumsrückgang und Reformdruck

Chinas Wirtschaft zeigt sich erneut abgeschwächt. Mit einem Wachstum von 4,7 Prozent im zweiten Quartal 2024 erreichte sie den niedrigsten Wert seit Anfang des Vorjahres. Die Wirtschaft des Landes sieht sich vielfältigen Herausforderungen gegenüber, insbesondere im Immobilien- und Arbeitsmarktsektor. Diese Entwicklungen stehen im Mittelpunkt der Beratungen der chinesischen Parteiführung beim sogenannten Dritten Plenum des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas.

Die chinesische Wirtschaft verzeichnete im zweiten Quartal 2024 ein Wachstum von lediglich 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Diese Zahl liegt unter den Erwartungen vieler Analysten, die ein Wachstum von 5,1 Prozent prognostiziert hatten, und auch unter dem Wachstum von 5,3 Prozent im ersten Quartal. Dies stellt das schwächste Quartalswachstum seit dem ersten Quartal 2023 dar und zeigt, dass die wirtschaftliche Erholung in China weiterhin fragil bleibt. Der Chefökonom der ING Bank für den Großraum China, Lynn Song, kommentierte, dass die aktuellen BIP-Daten insgesamt enttäuschend seien und der Weg zum Erreichen des Regierungsziels von fünf Prozent Wachstum schwierig bleibe.

Immobilienkrise und sinkende Investitionen

Die Immobilienkrise stellt nach wie vor eine erhebliche Belastung für die chinesische Wirtschaft dar. Im ersten Halbjahr 2024 sanken die Immobilieninvestitionen im Vergleich zum Vorjahr um 10,1 Prozent, während die Eigenheimverkäufe um 19 Prozent zurückgingen. Dieser Rückgang spiegelt sich auch in der verhaltenen Nachfrage der privaten Haushalte wider, die angesichts der unsicheren wirtschaftlichen Lage und des sinkenden Lohnwachstums zunehmend vorsichtig agieren.

Ein weiterer Faktor, der das Wachstum bremst, sind die gestiegenen Schulden der lokalen Regierungen. Diese hatten in der Vergangenheit stark von Landverkäufen an Immobilienentwickler profitiert, doch durch die Krise am Immobilienmarkt versiegen diese Einnahmequellen teilweise. Zudem wurden oft große Summen in Infrastrukturprojekte investiert, die kaum wirtschaftliche Impulse brachten.

Konsum und Jugendarbeitslosigkeit als Bremsklötze

Auch der Einzelhandelssektor zeigt Schwächen. Die Umsätze im Einzelhandel stiegen im Juni 2024 lediglich um zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr, während im Mai noch ein Wachstum von 3,7 Prozent verzeichnet wurde. Laut Xing Zhaopeng, leitender China-Stratege beim Finanzdienstleister ANZ, bleibt der private Konsum sehr schwach. Gründe hierfür sind unter anderem Gehaltskürzungen bei Arbeitgebern und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, die Haushalte dazu veranlassen, weiterhin vorsichtig zu bleiben. Der Konsum konzentriert sich zunehmend auf Basisgüter wie Lebensmittel und Unterhaltung, während teure Anschaffungen vermieden werden.

Die wirtschaftliche Unsicherheit in China birgt auch das Risiko einer Deflation. Die Teuerungsrate dümpelt nahe null, was die Analysten der Citi-Bank auf die schwache Binnennachfrage zurückführen. Eine solche Deflation könnte die Produktionsstärke Chinas weiter untergraben und die wirtschaftliche Erholung erschweren. Die chinesische Industrie bleibt zwar ein wichtiger Wachstumstreiber, doch produziert sie derzeit mehr, als im Inland nachgefragt wird, was auf Dauer nicht tragbar ist.

Drittes Plenum und wirtschaftliche Reformen

Vor diesem Hintergrund tagt das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas beim dritten Plenum, um über langfristige Wirtschaftsreformen zu beraten. Dieses Treffen, das alle fünf Jahre stattfindet, wird von Staats- und Parteichef Xi Jinping geleitet, der zu Beginn einen „Tätigkeitsbericht“ vorlegte und einen Beschlussentwurf zur umfassenden Vertiefung der Reformen erläuterte. Beobachter erwarten jedoch nur bescheidene Reformen, die darauf abzielen, die Hightech-Produktion anzukurbeln sowie den Wohnungsbau und die Haushalte zu unterstützen.

Die wirtschaftlichen Grundprobleme, wie Überkapazitäten, hohe Verschuldung und die Immobilienkrise, bleiben ungelöst. Analysten wie Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank und Murphy Cruise von Moody’s Analytics gehen davon aus, dass die Regierung zwar an einigen Stellschrauben drehen wird, es aber zu keinen bahnbrechenden Reformen kommen wird. Ein großer politischer Kurswechsel könnte als Eingeständnis des Scheiterns und Gesichtsverlusts wahrgenommen werden.

Zentralbank und geldpolitische Maßnahmen

Trotz der aktuellen Herausforderungen hielt die chinesische Zentralbank (PBOC) am Montag einen wichtigen mittelfristigen Zinssatz unverändert. Der Zinssatz für einjährige mittelfristige Kredite (MLF) bleibt bei 2,50 Prozent, was auf eine vorsichtige Haltung der Währungshüter hinweist. Auch wenn die Wirtschaft mehr Konjunkturimpulse vertragen könnte, scheint die Zentralbank keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen, um die Kosten für Verbraucherkredite und Hypotheken zu senken.

Das Wachstum im zweiten Quartal 2024 blieb hinter den Erwartungen zurück, und die Herausforderungen in den Bereichen Immobilien, Konsum und lokale Verschuldung sind erheblich. Die Partei- und Staatsführung steht vor der Aufgabe, eine fragile wirtschaftliche Erholung zu stabilisieren und gleichzeitig die Grundlage für langfristige Wachstumsimpulse zu legen. Ob dies durch die anstehenden Reformen im Rahmen des Dritten Plenums gelingt, bleibt abzuwarten.

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