TotalEnergies verkauft seine 1.198 Tankstellen in Deutschland

Die Verlagerung auf neue Mobilitätsformen und das bundesdeutsche Ziel der CO2-Neutralität bis 2050 gibt Tankstellenbetreiber TotalEnergies als Gründe für den geplanten Verkauf seines gesamten Bestands an Tankstellen in Deutschland an. Damit nimmt einer der größten Treibstofflieferanten der Bundesrepublik von den fossilen Energien Abschied. Auch in den Niederlanden ist die Abwicklung des 392 Stationen umfassenden Tankstellennetzes geplant.

TotalEnergies hat eigenen Angaben zufolge die Zeichen der Zeit erkannt und möchte sich rechtzeitig umorientieren. Das Unternehmen verzeichnet in den letzten Jahren sinkende Zahlen beim Treibstoffabsatz.  Dazu kommt das angekündigte Aus für Verbrenner-Motoren und die angestrebten Ziele zum Erreichen von Klimaneutralität – alles Indikatoren, die nach Ansicht des Energieunternehmens die Götterdämmerung bei den klassischen Tankstellen einleiten.

Der Käufer kommt aus Kanada

Alimentation Couche-Tard, ein kanadischer Betreiber von Convenience Shops, übernimmt die Tankstellen, um daraus Einheiten des eigenen Geschäftsmodells zu machen. Auch hier gibt es Benzin, das allerdings nur noch als Nebenprodukt. Das Hauptgeschäft läuft über Restaurants und Shops.

Einen etwas anderen Weg versucht TotalEnergies in Belgien und Luxemburg. Dort will das Unternehmen mit Couche-Tard ein Gemeinschaftsunternehmen bilden, in das der Tankstellenbetreiber seine dort existierenden 619 Stationen einbringt. Auch diesen beiden Ländern soll das Couche-Tard-Konzept umgesetzt werden. „Die Tankstellen sollen künftig Service-Stätten und Orte zum Verweilen sein und nicht mehr nur einfache Verkaufsstellen für Kraftstoffe“, erläutert ein Firmensprecher von TotalEnergies.

Kein schnelles Ende

Für die Tankstellenkunden ändert sich in absehbarer Zeit noch nichts. So lange TotalEnergies die Stationen mit dem eigenen Treibstoff versorgt, sollen sie auch unter der altbekannten Flagge betrieben werden. Den äußerlich sichtbaren Wechsel sieht der Konzern erst in mindestens fünf Jahren.

Der radikale Abschied des Unternehmens vom Format Tankstelle zur Energieversorgung von Fahrzeugen hängt mit einem spürbaren Umsatzrückgang beim Benzinverkauf in den letzten Jahren zusammen. Offenbar scheint die Konzernspitze von einem Umbau innerhalb der Tankstelle hin zu Schnellladestationen wenig zu halten. Nach Ansicht des Unternehmens betreiben die Nutzer von Elektroautos das Laden vor allem zu Hause, am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dahin.

Diese Einschätzung geht allerdings auf aktuelle Ladezeiten zurück. Setzt sich in absehbarer Zeit bei Akkus die Graphit-Technologie durch, dürften Ladezeiten zwischen fünf und zehn Minuten zur Regel werden – Zeiten, die denen beim Tanken von Benzin gleichen. In diesem Fall könnte sich der radikale Schnitt bei TotalEnergies als voreilig herausstellen.

Künftiger Fokus bei Strom und Wasserstoff

Vor allem in Deutschland und den Niederlanden will sich TotalEnergies als Multi-Energie-Unternehmen etablieren. Die Energieträger Strom und Wasserstoff stehen dabei im Vordergrund.

Im Strombereich geht es bei TotalEnergies vor allem um den Aufbau eines Ladestationnetzes entlang der wichtigsten Verkehrsadern und in Großstädten. Beim Wasserstoff hat das Unternehmen vor allem die Treibstoffversorgung von Lastwagen und Bussen im Blick. Gemeinsam mit dem französischen Gasproduzenten Air Liquide will TotalEnergies ein europaweites Wasserstoffnetz für LKWs aufbauen.

Behalten will TotalEnergies seinen Treibstoff-Großhandel, Ladehubs und den Wasserstoffvertrieb. Doch gerade das Bekenntnis des Unternehmens zum Wasserstoff könnte mit der radikalen Abkehr vom Tankstellensystem in Konflikt geraten. Setzt sich auf breiter Front Wasserstoff bei PKWs als Energieträger für Brennstoffzellen oder zur Direktverbrennung durch – und einige Anzeigen sprechen durchaus dafür – wäre ein funktionierendes Tankstellennetz ein nicht zu unterschätzender strategischer Vorteil.