Prekäre Verhandlungen in prekären Zeiten – Tipps für den Dienstleistungssektor von Verhandlungsexperte Jack Nasher

Nicht nur, aber besonders für Dienstleister ist der Markt in den letzten zwei Jahren ganz schon unübersichtlich geworden. Wenn man jetzt den Job verliert, unangemessene Gehaltsvorstellungen an den Tag legt oder schlichtweg zu forsch in der Verhandlung auftritt, ist man nicht nur eine Gelegenheit los, sondern auch ein besonderes Stück existenzieller Sicherheit. Jack Nasher, Deutschlands bekanntester Verhandlungsprofi weiß um die Umstände, besonders Zeitarbeiter, Klein-Dienstleister, für Pfleger, Designer, Sicherheitsleute und zunehmend auch für das Personal von Gastronomie und Hotellerie. Viele solche und ähnliche Berufsgruppen tun sich derzeit besonders schwer, auf ihren Wert zu bestehen – zu hoch der Andrang ihrer Mittbewerber, zu ungewiss die Risikobereitschaft auf unternehmerischer Seite.

Jack Nasher: Nur Mut!

Grundsätzlich – so die zentrale Botschaft von Nasher, den wir zu diesem Thema befragt haben – bleibt alles beim Alten: Selbstbewusstsein ist nicht nur akzeptabel, es hat sogar paradoxerweise einen positiven Effekt für die Verhandlung. Nasher erklärt: „Berufseinsteiger und auch Vertreter sogenannter Prekariatsberufe fühlen sich oft besonders unsicher: Wenn jeder Konkurrent und befreundeter Personaler versichert, dass man bei einem falschen Wort ersetzbar ist, fühlt sich Bescheidenheit an wie eine Bürgerpflicht. Dieser Ansatz ist aber nicht ganz richtig. Auch wenn man nichts versprechen sollte, was man um keinen Preis halten kann, ist Selbstbewusstsein nachweislich erfolgsförderlich. Menschen neigen dazu, positive Erwartungen über eigene Entscheidungen bestätigen zu wollen: Eine mit Biss geführte Verhandlung unterstützt also nicht nur die Ausgangsbedingungen, sondern kann sogar den Einstieg im jeweiligen Beruf unterstützen.“

BATNA: Sicherheit kommt von Alternativen

Selbstbewusstsein ist schnell gefordert, aber in den seltensten Fällen kann jemand aus dem Stegreif erklären, wie man denn nun – zumal als vermeintlicher Abgehängter – seine inneren Kräfte aktivieren kann. Jack Nasher kann auch hier helfen: „Als Best Alternative To A Negotiated Agreement – kurz: BATNA – bezeichnet man die Verhandlungsalternative, die übrigbleibt, wenn der Deal platzt. Kurzum: Ein Web-Designer pokert im Bewerbungsgespräch auf 50.000 Jahresgehalt. An anderer Stelle hat er zwei weitere Angebote, eines für 45.000 und eines für 52.000 – dann sind die 52.000 seine BATNA. Das klingt nach einer viel luxuriöseren Situation, als die meisten gewährleisten können, aber eine attraktive BATNA ist der Weg zu einem natürlichen – gewissermaßen intrinsischen – Selbstbewusstsein. Denn wenn man in ein Gespräch geht und weiß, dass man bis 52.000 nicht mal in Verhandlungsdruck gerät, aktiviert das nahezu unwillkürlich das eigene Sicherheitsgefühl. Das Ziel muss also sein, sich in so viele Areale und Bereiche zu bewerben, dass man ab der ersten Verhandlung nicht mehr ohne Alternative ins Rennen geht: Schon mit dem zweithöchsten Angebot kann man auf den ersten Verhandlungspartner zurücktreten und erklären, dass man wirklich gerne zusammenkommen möchte, man allerdings gemeinsam ein akzeptables Angebot an anderer Stelle überbieten muss.“

Verhandeln wie Jack Nasher: Langfristig denken!

Das Erarbeiten einer erfolgreichen Verhandlung besteht nicht darin, mit eiskaltem Kopf die stärkste Position zu verblüffen. Selbst sehr erfahrene Verhandler, die auch mal ohne konkretes Gegenangebot agieren, beziehen ihre Selbstsicherheit daraus, dass sie eben prinzipiell um ihre Möglichkeiten wissen. Eine Verhandlungsposition ist also nicht nur eine Position, sondern mehr ein Verhandlungsprozess. Es geht darum, ein Netz attraktiver Optionen zu bilden, und zwar Schritt für Schritt. Wenn man eine hochspannende Option gefunden hat, sollte man sich bereits im Kopf die nächste Variante zurechtlegen. Jack Nasher nochmal: „Wir sind evolutionsbedingt auf unseren kurzfristigen Vorteil getrimmt. Besser Spatz in der Hand als Taube auf dem Dach. Aber mit ein bisschen Quietschen und Knarzen kann man das eigene Primatenhirn überlisten. Man muss auf ein Netz aus Alternativen setzen, auch wenn das mit mehr Arbeitsaufwand und – zumindest dem Anschein nach – höheren Risiken einhergeht.“

Nicht nur argumentieren, sondern framen

Kommen wir zurück zur Sondersituation der besonders fragilen Berufsfelder: Erfahrene Chefs und HR-Profis wissen meist genau, wo der von ihnen gesuchte Bewerber im Markt positioniert ist. Sie setzen auf sein mangelndes Selbstbewusstsein, fehlende Alternativen, hohen Konkurrenzdruck und einen geringen Grad von Selbstpositionierung. Für die ersten Faktoren haben wir mit der BATNA eine respektable Strategie an der Hand, aber was ist mit „Selbstpositionierung“ gemeint? Wo auch immer man arbeitet, man gewinnt den Kontext dafür meistens durch Kollegen, branchenspezifische Kodexe und Bezeichnungen, Berufstitel und ähnliches. Das ist verständlich, denn diese Zusammenhänge geben Orientierung und eine gewisse Verbindlichkeit. Bei der Verhandlung geht es aber nicht darum, gleichauf zu sein, sondern herauszustechen. Es lohnt sich also, über die eigene Berufsbezeichnung hinauszudenken und kreative Ergänzungen zum eigenen Berufsbild zu entwickeln.

Jack Nasher erklärt: Framing für Anfänger

„Als Frame bezeichnet man in der Kommunikationstheorie den impliziten Bezugsrahmen einer Situation“, erklärt Jack Nasher: „Es sind die Voraussetzungen eines Gesprächs, über die man gar nicht mehr aktiv nachdenkt. Wenn einem ein breitgebauter Mittfünfziger mit dunkelblauem Anzug, aufsteigendem Kragen, Nadelstreifen und elegantem grauen 500-Euro-Haarschnitt in einem rustikal braun gehaltenen Mahagoni-Büro gegenübersitzt, nimmt man unmittelbar den Bezugsrahmen „Chefetage“ an und wird beim ersten Kennenlernen keine Pommestüte über den Tisch reichen, um das Eis zu brechen. Nun ist wohl richtig, dass der stattliche Mittfünfziger wahrscheinlich nicht nur den Chef mimt, sondern tatsächlich der Chef ist, aber grundsätzlich leben Kommunikationssituationen maßgeblich von solchen indirekten Bezugsmodellen – und lassen sich dadurch in einem gewissen Rahmen auch modifizieren.“

Ein Beispiel aus der Praxis: Vom Türsteher zum Sicherheitsexperten

Was hilft das im Hinblick auf Ihr Arbeitsangebot als Sicherheitsfachkraft, Webdesigner, Hotelmitarbeiter oder Kellner? An dieser Stelle gilt es, neben der eigentlichen Fachexpertise noch weitere Aspekte in die Waagschale zu werfen, die Sie als besonderen Vertreter Ihrer Gattung qualifizieren: Ein Security-Mitarbeiter kann selbstverständlich ein guter Kollege, vielleicht auch ein guter Teamleiter sein, aber richtig spannend wird es für das Gegenüber erst, wenn etwas komplett Ungewohntes, aber sehr Attraktives auftaucht. Wie könnte das aussehen? „Ich bin natürlich regulär qualifiziert, aber mit mir bekommen Sie nicht nur einfach einen guten Mann, den Sie vor den Notausgang stellen können. Ich behandle meinen Beruf ganzheitlich: Ich bin nicht nur dafür zuständig, dass die Tür sicher bleibt, sondern dass die Veranstaltung als Ganzes ein Erfolg wird. Das heißt für mich: Ich informiere mich vom ersten Einsatz an über die Gesamtsituation und erfasse, wer in meiner Umgebung für was zuständig ist, damit ich jederzeit unterstützen kann. Ich bin für meine Kollegen da, für die Veranstalter, für die Techniker, für das Garderoben- und Bar-Personal und selbstverständlich für das Publikum, wann immer ich gebraucht werde. So wurde ich ausgebildet: Sicherheit beginnt für mich mit dem Wohlbefinden aller Beteiligten und hört erst dann auf, wenn der letzte Bühnenbauer und Sanitäter das Gelände verlassen hat und die Nachtwache das Objekt übernimmt. Ich bin nicht bloß Sicherheitsdienstleister, ich stehe für 360-Grad-Sicherheit.“ Ein solches Plädoyer verändert die Rahmenbedingungen der Verhandlung, denn durch das Selbst-Framing als Sicherheitsexperte steigt implizit auch der Preis. An Ihrem Arbeitsverhalten hat sich zu diesem Zeitpunkt gar nichts geändert, aber Ihre Verhandlungsposition hat sich bereits einer neuen Umgebung angepasst.

Über Jack Nasher

Jack Nasher ist der in der Presse vermutlich meistzitierte deutsche Verhandlungsexperte, Leiter des NASHER Verhandlungsinstituts, Speaker, Coach und Hochschul-Professor. Zu seinen Unternehmenskunden gehörten Henkel, T-Systems, Daimler, Siemens und viele andere renommierte Institutionen.

 

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