Enorm gestiegene Fallzahlen bei Kinderpornographie und Kindesmissbrauch in NRW
Die in Nordrhein-Westfalen in jüngster Vergangenheit extrem gestiegenen Fallzahlen von Kinderpornographie und Kindesmissbrauch werden von Innenminister Herbert Reul (CDU) insgesamt positiv als direkte Konsequenz der verstärkten Strafverfolgung bewertet. Er betonte, dass sich kein anderes deutsches Bundesland mehr in diesem Bereich engagiere.
Im Zehnjahresvergleich zwischen 2013 und 2023 sind besonders im Bereich der Kinderpornografie die Fallzahlen im Bundesland Nordrhein-Westfalen nahezu explodiert. Gab es vor zehn Jahren noch 1578 Fälle, in denen Kinderpornografie im Spiel war, wurde in den Jahren 2021 und 2022 in jeweils mehr als 11.000 Fällen ermittelt. Die Aufklärungsquote sei hier allerdings mittlerweile auf rund 80 Prozent angestiegen.
Die Fallzahlen in Bezug auf Kindesmissbrauch sind in diesem Zeitraum ebenfalls angestiegen, allerdings nicht so extrem wie bei der Kinderpornografie: Von 2.700 Fällen im Jahr 2013 stieg die Zahl auf jeweils mehr als 4.100 Fälle in den vergangenen beiden Jahren.
Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte bereits im Mai 2022 die steigenden Zahlen bei Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder veröffentlicht – wir berichteten. Schon damals führte Kerstin Claus, die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), den signifikanten Anstieg der Fallzahlen auf eine verstärkte und verbesserte Strafverfolgung zurück.
Immer mehr minderjährige Tatverdächtige aufgrund sorgloser Verbreitung kinderpornographischer Inhalte
Auffällig ist auch, dass sich in Hinblick auf Fälle mit kinderpornografischen Inhalten die Anzahl von noch minderjährigen Tatverdächtigen zwischen 2018 und 2023 mit 14.528 mehr als verzehnfacht hat. Aufgrund der immer größeren Ausbreitung und besseren Verfügbarkeit von Smartphones und diversen Social-Media-Plattformen (etwa TikTok, Instagram oder auch Messenger wie WhatsApp) unter Kindern und Jugendlichen in Schulklassen oder Sportvereinen werden besonders heikle Nacktfotos oder Videos mit Minderjährigen immer häufiger sorglos und ohne jedes Unrechtsbewusstsein untereinander verbreitet. Hier müsse in Zukunft schon in jungen Jahren verstärkt auf den Auf- und Ausbau der Medienkompetenz bei Minderjährigen gesetzt werden.
Ein weiteres Problem: Solche Fälle ziehen nicht nur Zeit, sondern vor allem auch dringend benötigte Gelder und Personal von Fällen ab, in denen kriminelle pädophile Personen gezielt pornographische Inhalte von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und Säuglingen produzieren, verbreiten oder erwerben.
Die von der damaligen Großen Koalition im Jahr 2021 durchgesetzte Verschärfung des Sexualstrafrechts war, unter anderem nach den Vorfällen von Münster, Bergisch-Gladbach und Lügde, notwendig, in ihrer Ausführung allerdings noch stark ausbau- und verbesserungsfähig. Denn in der Folge waren eben nicht nur kriminelle Pädophile ins Visier der Ermittler geraten, sondern unbeabsichtigt auch immer mehr Eltern und Lehrer, die gefundene kinderpornographische Inhalte zur Beweissicherung auf ihren Smartphones oder PCs abgespeichert hatten.
Marco Buschmann (FDP), amtierender Bundesminister der Justiz der BRD, äußerte sich bereits im Frühjahr konkret zur Kritik an diesen unbeabsichtigten Konsequenzen und versprach, mögliche Handlungsoptionen und den Handlungsbedarf des Gesetzgebers weiterhin zu überprüfen.
Vorsichtiger Optimismus bei der Bekämpfung von Kinderpornographie trotz Personalmangel und fehlender Vorratsdatenspeicherung
Nordrhein-Westfalens Innenminister Reul (CDU) wiederum sieht das Thema mit Hinblick auf die Strafverfolgung in bevölkerungsreichsten Bundesland grundsätzlich optimistischer und auf einem guten Weg. Er betonte, dass gerade nach den organisierten schweren Kindesmissbrauchsfällen auf dem Campingplatz in Lügde im Jahr 2018 viel Personal mobilisiert wurde. Seitdem habe sich deren Zahl in diesem Sektor auf etwa 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfünffacht, auch wenn dafür nicht wenig Personal aus anderen Abteilungen involviert werden musste.
Reul setzt sich bei der gründlicheren sowie schnelleren Aufdeckung und Verfolgung der Täterinnen und Täter bei Kinderpornographie und Kindsmissbrauch weiterhin stark für die seit Jahren äußerst ambivalent und kritisch wahrgenommene Vorratsdatenspeicherung ein. Ihm zufolge würde die Aufklärung in diesen Bereichen durch den Verzicht auf eben solche erschwert werden. Man wolle hier allerdings auch zukünftig nicht aufgeben und suche nach pragmatischen Lösungen. Der Innenminister möchte zukünftig auf die IP-Adressen von Tätern zugreifen und diese mithilfe der Vorratsdatenspeicherung sicher identifizieren können.
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