Der erste Quantencomputer Europas steht in Ehingen

Die Zukunft der Datenverarbeitung lässt sich seit Dienstag im schwäbischen Ehingen bewundern. Gemeinsam mit der Fraunhofer-Gesellschaft präsentierte IBM seinen ersten Quantencomputer für die industrielle Anwendung und erfüllte damit einen Herzenswunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich ihre digitale Anwesenheit bei der offiziellen Inbetriebnahme nicht nehmen ließ.

In Betrieb ist der Quantum System One allerdings bereits seit letztem November. Wegen der Corona-bedingten Einschränkungen war die Einweihung erst jetzt möglich geworden. Auf rund neun Quadratmetern Standfläche präsentiert sich das digitale Kraftpaket nun laut IBM-Aussage als „leistungsstärkster Quantencomputer für das industrielle Umfeld Europas“.

Hohe Erwartungen in die neue Computertechnologie

Nicht weniger als die nächste industrielle Revolution schreiben Experten dem Einsatz von Quantentechnologie zu. Anders als beim Aufkommen des PC in den 1970er-Jahren soll Deutschland diesmal an vorderster Front eine Führungsposition bei der Quantendatenverarbeitung einnehmen.

Quantum System One geht auf eine persönliche Initiative von Angela Merkel zurück. Die ehemalige Physikerin brachte das Projekt bei einem Gespräch mit IBM-Chefin Ginni Rometty am Rande des Weltwirtschaftsforums 2019 in Davos zur Sprache. Noch im selben Jahr kam dann der positive Bescheid: Im Herbst werde die Anlage in Deutschland errichtet.

Zunächst exklusive Nutzung durch Fraunhofer

Mitarbeiter*innen der Fraunhofer-Gesellschaft erhalten in der Zeit bis Ende 2023 exklusiven Zugang zu dem IBM-Quantencomputer. Danach steht die Anlage voraussichtlich der allgemeinen Nutzung zur Verfügung.

Doch auch während der Phase der exklusiven Nutzung durch Fraunhofer ist der Quantenrechner für Problemlösungen aus dem industriellen Umfeld verfügbar. So können Unternehmen Forschungsergebnisse nutzen, die aus der Tätigkeit der Fraunhofer-Forscher in Ehingen stammen.

Basis der künftigen Zusammenarbeit ist die kürzlich geschlossene Quantenallianz großer deutscher Unternehmen, darunter SAP, VW und BASF. Wie die Stationierung des Quantum System One in Deutschland geht auch die Quantenallianz auf eine Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück.

Quanten revolutionieren den Computer

Dass ein amerikanisches Unternehmen den ersten Quantencomputer in Europa in Betrieb nahm, weist auf markante Versäumnisse auf diesem Gebiet in der Vergangenheit hin. Nun soll es allerdings mit großen Schritten dem Ziel entgegengehen, den Rückstand aufzuholen.

Dazu besteht jeder Anlass: Sowohl in den USA als auch in China arbeiten zahlreiche Unternehmen an der Entwicklung eigener Quantenrechner, darunter Microsoft und Google. Angesichts dieser geballten Macht erscheinen die bisherigen Anstrengungen der deutsche Bundesregierung eher bescheiden: Für das Projekt Quantum System One haben Bund und Land gerade einmal 40 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Um die angestrebte Führungsrolle zu erreichen, werden in Zukunft weitere Fördermaßnahmen der öffentlichen Hand unabdingbar sein. Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht: Bis 2025 will die Bundesregierung rund zwei Milliarden Euro in die Weiterentwicklung der Quantentechnologie investieren, so das Versprechen der Kanzlerin anlässlich der Einweihung von Quantum System One.

Vor allem die möglichst schnelle wirtschaftliche Nutzbarmachung von Forschungsergebnissen liegt Angela Merkel dabei am Herzen. Ein Schwerpunkt der Quantenforschung müsse daher die Erschließung neuer industrieller Anwendungsfälle sein. Denn genau das ist das Problem von Forschung in Deutschland: Viele Projekte kommen über das Forschungsstadium nie hinaus. Die kommerzielle Verwertung übernehmen dann andere Länder. Das soll beim Quantencomputer diesmal nicht so laufen.

Erste Erfolge in puncto Kommerzialisierung von Quantentechnologie in Deutschland gibt es bereits. So entwickelt das Startup NVision in Ulm mit Hilfe von Quantentechnologie neue Wege bei der Krebsdiagnostik.