Zu scharfes Strafmaß bei Kinderpornographie soll angepasst werden
Das deutsche Sexualstrafrecht wurde 2021, vor allem in Hinblick auf den Erwerb, Besitz und die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte, deutlich verschärft. Doch wie von Experten prognostiziert hat die gut gemeinte und an sich notwendige Änderung signifikante Nebenwirkungen, welche zu zahlreichen Verfahren gegen die falschen Personen geführt haben. Diese teils extreme Mehrbelastung von Polizei und Justiz soll nun angepasst und abgeschwächt werden.
Erst 2021 wurde das deutsche Sexualstrafrecht mitsamt der Gesetze zum Erwerb, dem Besitz und der Verbreitung von Kinderpornographie beziehungsweise Inhalten mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder signifikant verschärft.
Die schon im November 2022 von den jeweiligen Justizministern Deutschlands formulierte Intention, vor allem den verschärften § 184b des Strafgesetzbuchs wieder abzuschwächen und weiter zu optimieren, wird nun langsam, aber sicher konkreter. So kündigte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kürzlich an, die Mindeststrafe bei Verstößen gegen das genannte Gesetz von einem Jahr auf drei beziehungsweise sechs Monate abzusenken. Straftaten sollen damit wieder zu Vergehen herabgestuft werden.
Um eine abschreckende Wirkung aufrechterhalten sowie künftige Straftaten mit besonderer Schwere entsprechend sanktionieren zu können, bleibt die neue Höchststrafe von bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug allerdings erhalten.
Sexualstrafrecht: Die Verschärfung von § 184b ging zu weit
Die Gesetzesverschärfung im Kampf gegen die Darstellung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, primär in Form kinderpornographischer Inhalte, wurde bereits im Sommer 2020 von der damaligen Großen Koalition verabschiedet. Experten äußerten schon vor der endgültigen Einführung im Juni 2021 zahlreiche Bedenken, etwa bezüglich einer wahrscheinlichen Überlastung des deutschen Rechtssystems oder der möglichen strafrechtlichen Verfolgung der falschen Personen.
Da beide Befürchtungen eingetreten sind, soll die umstrittene Verschärfung des Gesetzes nun bald wieder abgeschwächt und weiter optimiert werden. Strafverfolgungsbehörden sollen wieder die Möglichkeit erlangen, je nach Einzelfall individuell zu reagieren. Bei Tatvorwürfen im unteren Bereich der Strafwürdigkeit sollen auch niedrigere Strafen als die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug ermöglicht werden. Damit könnten geringere Verfahren, abhängig von der individuellen Situation und Notwendigkeit, zukünftig auch wieder vorzeitig eingestellt werden.
Die grundsätzlich begrüßenswerte Verbesserung des Kampfes gegen sexualisierte Gewalt bei Kindern – vor allem nach den schweren Missbrauchsfällen in Lügde, Bergisch-Gladbach und Münster oder vermehrten Vorfällen mit Beteiligung der katholischen Kirche – litt allerdings von Beginn an unter diversen Schwächen bei der Konzeption und Durchführung.
So gerieten etwa immer mehr Lehrer:innen, Betreuer:innen oder auch Eltern quasi unbeabsichtigt immer häufiger ins Visier der Ermittler, wenn diese etwa kinderpornographische Fotos oder Videos in den WhatsApp-Gruppen und Social-Media-Kanälen ihrer Schüler beziehungsweise Kinder entdeckt und diese zwecks Meldung weitergeleitet hatten.
Überlastung von Polizei und Justiz statt effektiver Bekämpfung von Kinderpornographie
Nach der Erhöhung der Mindeststrafe auf mindestens ein Jahr in solchen Fällen konnte allerdings nicht mehr individuell differenziert werden – die Staatsanwaltschaft war nun verpflichtet, in jedem Fall zu ermitteln. Statt der eigentlichen Täter:innen – also jenen Personen, welche die kinderpornographischen Inhalte bewusst produziert hatten – wurden so immer mehr Betreuungs- und Aufsichtspersonen ins Visier genommen. Damit wurde nicht nur „auf den Boten geschossen“, sondern Justiz und Polizei im Laufe der Zeit auch massiv überfordert. Dadurch blieben immer weniger Ressourcen, Zeit und auch Personal für die tatsächlichen Verstöße übrig.
Es wird angenommen, dass immer mehr Menschen, die in ihrem näheren Umfeld auf kinderpornographische Inhalte gestoßen sind, etwa in den bereits erwähnten Chatgruppen, von einer Meldung der Funde und einer Strafanzeige abgesehen haben. Primär aus Angst davor, selbst ins Visier der Strafverfolgung zu geraten, auch wenn man ursprünglich nur dabei helfen wollte, die Produktion sowie Verbreitung kinderpornographischer Inhalte zu stoppen und Kinder generell zu schützen.