Wirecard-Insolvenzverwalter fordert von Investoren 47 Millionen Euro

Michael Jaffé, Insolvenzverwalter der Wirecard-Plete, überrascht ehemalige Investoren mit einer Rückforderung gezahlter Dividenden im Gesamtwert von 47 Millionen Euro. Grund: Das Unternehmen war schon erheblich früher insolvent als bisher gedacht.

Aus Sicht des Insolvenzverwalters lag bereits 2017 eine de facto-Insolvenz vor. Demnach wären alle ab diesem Zeitpunkt gezahlten Dividenden unzulässig und müssten zurückerstattet werden, so das Ergebnis eines Zwischenberichts. Michael Jaffé prüft derzeit die rechtlichen Grundlagen einer derartigen Rückforderung.

Umfassender Personenkreis betroffen

Sollte die Forderung durchsetzbar sein, richten sich die Ansprüche unter anderem gegen Aufsichtsräte, Vorstände und das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young (EY). Der Zwischenbericht geht davon aus, dass das Drittpartnergeschäft des pleitegegangenen Zahlungsdienstleisters nicht existent war. Aus dieser Perspektive war das Unternehmen bereits 2017 reif für die Insolvenz.

Insbesondere die Forderungen aus dem Drittpartnergeschäft in Höhe von mehr als 743 Millionen Euro in 2017 und mehr als 972 Millionen Euro in 2018 seien zu hoch angesetzt gewesen. Nun hat Michael Jaffé die gerichtliche Prüfung darüber auf den Weg gebracht, ob die Jahresabschlüsse für 2017 und 2018 als nichtig zu werten sind.

Ex-Aktionäre sollen Dividenden zurückgeben

Aufbauend auf den Erkenntnissen des Zwischenberichts will der Insolvenzverwalter nun etwa 47 Millionen Euro von früheren Wirecard-Aktionären zurückfordern. Darüber hinaus könnten sich weitere Forderungen aus Aktionrückkäufen im Gesamtwert von mehr als 140 Millionen Euro ergeben.

Der Erfolg dieser Strategie ist allerdings alles andere als gesichert, wie auch Michael Jaffé einräumt. So könnte es sich als schwierig erweisen, die betroffenen Aktionäre überhaupt ausfindig zu machen.

Konflikt mit EY bahnt sich an

Dass die von Michael Jaffé angestrengte Feststellungsklage vor dem Landgericht München I auch das frühere Wirtschaftsprüfungsunternehmen von Wirecard nicht kalt lässt, beweist deren jüngste Initiative: EY forderte bereits Akteneinsicht in das Verfahren an.

Die Rechtsposition, auf die sich EY wahrscheinlich beziehen wird, beinhaltet den Vorwurf eines Fehlverhaltens des Klienten. So hätte Wirecard die beiden Jahresabschlüsse neu erstellen und dann EY erneut zur Prüfung vorlegen müssen.

Diese Argumentation will Michael Jaffé allerdings nicht gelten lassen. Nach seiner Auffassung bestehe die begründete Besorgnis, dass die weitere Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer für Wirecard insbesondere in der Funktion als Abschlussprüfer nicht unparteiisch und ohne Rücksichten auf eigene Interessen hätten erfolgen können.

Die Kritik am Verhalten von EY in Bezug aus die Tätigkeit für das insolvente Unternehmen ist nicht neu. Seit Monaten muss sich EY den Vorwurf gefallen lassen, alle Bilanzen – einschließlich 2018 – ohne Einschränkungen mit einem Testat versehen zu haben. Nun steht die Frage im Raum, ob sich aus diesem Umstand auch Ansprüche gegen EY ableiten lassen.

Detaillierte Einblicke in das Wirecard-Betrugssystem

Der Zwischenbericht des Insolvenzverwalters gestattet auch einen tiefen Einblick in die Machenschaften des Zahlungsabwicklers. So seien die Zahlungen, die angeblich von Drittpartnern in Asien bei Wirecard eintrafen, meist Bestandteil von Kreislaufgeschäften. Es seien demnach Zahlungen von Wirecard an sich selbst. Wie der Bericht ausführt, seien mehrere Kreislaufgeschäfte gleichzeitig in Aktion gewesen.

Darüber hinaus seien Geldabflüsse zu lokalisieren, die über Software- und Beraterverträge ohne Gegenleistung abgewickelt wurden. Derzeit sind 94 Berater in einer Reihe von Ländern bekannt, darunter zahlreiche Steueroasen. Rund 40 Millionen Euro seien an diese Adressaten geflossen.

Im Raum stehen 40.000 Forderungen

Derzeit existieren über 40.000 angemeldete Forderungen von Anleihegläubigern, Aktionären und Kreditgebern. Einen Teil davon bestreitet Michael Jaffé allerdings.

Die bereits vorliegenden drei Gutachten kommen in der Frage der Aktionärsansprüche zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ob auch sie neben den Anleihegläubigern und Kreditgebern Forderungen geltend machen können, steht demnach nicht endgültig fest. Die Klärung aller Ansprüche wird voraussichtlich Jahre dauern.