Windkraft nimmt in Frankreich Fahrt auf

Der in Frankreich bisher vernachlässigte Sektor Windkraft erfährt bei den nachhaltigen Energien seit einiger Zeit sprunghafte Zuwachszahlen. Hauptsächlich bei den Offshore-Windparks ist für die nahe Zukunft Großes geplant. Bis 2028 sollen zahlreiche Parks mit Kapazitäten bis zu zwölf Gigawatt entstehen.

Dass Windkraft in Frankreich bisher zu den vernachlässigten Technologien gehörte, hat teils politische, teils strukturelle Gründe. So hielten sich bis vor kurzem althergebrachte Ressentiments aus dem konservativen Lager, das Windräder als Schaden für die Kulturlandschaft wahrnimmt.

Auch aus der Richtung der Nuklearindustrie kommt Widerstand gegen die Windkraft. Angesichts des hohen Bestands an Kernkraftwerken in Frankreich sei die CO2-Bilanz bei der Energieversorgung bereits so günstig, dass ein weiterer Ausbau anderer Energieformen nicht erforderlich sei. Dem steht allerdings das hohe Risiko entgegen: Zahlreiche französische Kernkraftwerke sind überaltert, die Frage der Endlagerung radioaktiven Restmülls ungeklärt.

Anschubfinanzierung durch die Europäische Investitionsbank

Mittlerweile sind zahlreiche Initiativen zum zügigen Ausbau von Windkraft auf dem Weg, vor allem im Offshore-Bereich. Diese Entwicklung geht nicht zuletzt auf das Erstarken der grünen Partei Frankreichs zurück, die lange Zeit nur wenig Einfluss auf die politische Gestaltung im Lande hatte.

Eine Studie des Observatoire des Énergies de la Mer, eine Kooperation mehrerer nachhaltiger Energieunternehmen, hat in einer Studie das markante Defizit beim Ausbau von Windkraft offengelegt: Trotz der ungewöhnlich langen Küstenlinie des Landes sind Offshore-Windparks kaum vertreten, das Potenzial an Wirtschaftskraft, die durch den Ausbau entsteht, kaum genutzt.

Mit Finanzierungshilfe der Europäischen Investitionsbank (EIB) sind mittlerweile einige namhafte Projekte auf dem Weg. Doch das soll erst den Anfang einer umfangreichen Entwicklungsstrategie darstellen.

Bürokratische Hürden verzögern die zügig Umsetzung

Dass die Entwicklung der Offshore-Windkraft so zögerlich vorankommt, hängt auch mit den bürokratischen und juristischen Hürden zusammen, die potentielle Betreiber bis zur Verwirklichung ihrer Projekte überwinden müssen. So stammt die erste Ausschreibung für Offshore-Windparks in Frankreich bereits aus dem Jahr 2012.

Beim ersten Projekt, das im Rahmen der Ausschreibung noch 2012 genehmigt wurde – die 480-Megawatt-Anlage Saint Nazaire – fiel der Startschuss für den Bau erst 2020. Acht Jahre brachten die Betreiber damit zu, die formalen und genehmigungsrechtlichen Auflagen zu erfüllen.

Der Windpark Saint Nazaire gehört zumindest zu den Projekten, bei denen der Betriebsstart absehbar ist. Bei den ebenfalls 2012 genehmigten Anlagen Saint-Brieuc, Courseulles-sur-Mer und Fécamp gibt es noch nicht einmal einen Termin für den Baubeginn. Eine Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens gehört demnach zu den dringendsten Forderungen der französischen Windkraftindustrie.

Weitere Anlagen in Vorbereitung

Ungeachtet der langen Genehmigungsfristen geht es bei der Projektierung neuer Anlagen zügig voran. Zwei weitere Projekte, die Parks îles d’Yeu et de Noirmoutier und Dieppe-Le Tréport, erhielten 2014 den Zuschlag. Ein Leuchtturmprojekt mit knapp 600 Megawatt Leistung bei Dunkerque erhielt 2019 den Zuschlag.

Den Abschied vom konservativen Skeptizismus der Politik gegen Windkraft feierte die französische Regierung im April 2020 mit der Verabschiedung ihres Energieprogramms PPE. Einer der Kernpunkte des Papiers ist die deutliche Erhöhung der Zielwerte für Offshore-Windanlagen.

Demnach soll die Gesamtkapazität aller Windanlagen im Meer bis 2023 2,4 Gigawatt umfassen. Bis 2028 will Frankreich im Offshore-Bereich einen Wert zwischen 5,2 und 6,2 Gigawatt erreichen.

Weitere Projekte sind bereits auf dem Weg. Die Ausschreibung für eine Anlage vor Contentin startete im Dezember 2020. Kurz vor dem Projektstart stehen eine Anlage in Sud-Atlantique und drei Projekte mit schwimmenden Windanlagen. Sollen die ambitionierten Ziele der französischen Regierung im vorgesehenen Zeitrahmen zum Abschluss kommen, wird allerdings an einem deutlichen Abbau der bestehenden bürokratischen Hürden kein Weg vorbei führen.

 

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