VW sorgt sich um Chip-Lieferungen

Gefahr für die Produktionskapazitäten im deutschen Automobilbau wittert VW-Markenchef Ralf Brandstätter. Grund: der aktuell herrschende Lieferengpass bei Chips für die Fahrzeugelektronik. Auch die Auswirkungen der Corona-Krise werden nach Ansicht des Markenchefs die Arbeitswelt nachhaltig verändern.

Ähnlich wie bei den Effekten der Pandemie könnte auch der Versorgungsengpass bei Computerchips und anderen elektronischen Bauteilen länger anhaltende und nachhaltig wirkende Auswirkungen auf die Automobilindustrie haben. Ralf Brandstätter geht davon aus, dass die Situation noch eine Weile angespannt bleiben wird.

Grund für den Engpass sind nicht fehlende Produktionskapazitäten

Überraschenderweise fehlt es in den Chipfabriken nicht an Produktionsanlagen und Kapazitäten, um die Nachfrage bedienen zu können. Die eigentliche Ursache liegt in der Corona-Pandemie begründet.

Als es 2020 wegen der Lockdown-Maßnahmen der ersten Pandemie-Welle zu krassen Einbrüchen bei den Absatzzahlen der Automobilhersteller kam, fuhren viele Unternehmen ihre Produktionszahlen deutlich herunter. Die Folge waren drastische Absatzeinbrüche bei den Elektronik-Zulieferern.

Die Konsequenz war abzusehen: Die Elektronikproduzenten verlagerten ihre Geschäftsfelder weg von der Autoindustrie hin zu anderen Branchen. Die abgewanderten Produktionskapazitäten fehlen nun in der wieder anlaufenden Automobilindustrie.

Zusätzliche Effekte verschärfen die Lage

Dass mehrere Automobilfirmen bereits ganze Schichten einstellen mussten, geht allerding auch auf andere Faktoren zurück. Neben dem Lieferengpass für Chips und andere Bauteile wirken sich auch die Corona-Schutzmaßnahmen hinderlich auf die Produktionskapazitäten aus.

Insbesondere die Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln beeinträchtigt die sonst üblichen Abläufe und sorgt dafür, dass die angestrebten Produktionszahlen nicht wie vorgesehen zustande kommen.

Dazu kommen Ereignisse höherer Gewalt, die sich ebenfalls negativ auf die Versorgungslage auswirken. So hat der Schneesturm in Texas im letzten Winter große Bereiche der Wirtschaft lahmgelegt, darunter zahlreiche internationale Zulieferer der Automobilindustrie. Auch der Brand beim japanischen Halbleiterkonzern Resenas im März diesen Jahres hat für nachhaltige Lieferengpässe bei der Automobilindustrie geführt.

Auswirkungen noch lange spürbar

Die massiven Auswirkungen des Lieferengpasses auf die wieder anlaufende Branche entwickelt sich zum Chef-Thema bei den meisten Autofirmen. So hat die VW-Führung eine eigene Beschaffungs-Taskforce eingesetzt, deren Aufgabe es ist, alternative Bezugsquellen zu ermitteln.

Die Auswirkungen der Lieferengpässe werden sich noch einige Monate massiv auf die Automobilkonzerne auswirken. Ralf Brandstätter geht erst ab Sommer von einer zumindest teilweisen Entspannung der Lage aus. Einen Lichtblick sieht der Markenchef allerdings: Für die neue ID-Reihe sind bereits heute alle Komponenten vorhanden.

Produktionshemmnisse abhängig vom Modell

Bei Modellen, die mit speziellen Bauteilen ausgerüstet sind, kommt es wegen der Lieferengpässe zu besonders empfindlichen Auswirkungen. So musste VW im Werk Emden die gesamte Produktion des Passat vorübergehend einstellen.

Besser sieht es bei Modellreihen aus, die mit identischen Bauteilen ausgerüstet sind. Hier lassen sich die verfügbaren Kapazitäten den ertragsstarken Modellen zuordnen, um auf diesem Weg die Verluste durch Produktionseinschränkungen zu minimieren.

Lieferengpass als Indiz für fehlende Inlandsproduktion

Dass sich international begründete Lieferengpässe so drastisch auf die deutsche Automobilindustrie auswirken, hängt nicht zuletzt mit Defiziten bei der Entwicklung der inländischen Halbleiterindustrie zusammen. Chipfabriken im eigenen Land und mehr deutsche Produzenten für andere elektronische Bauteile hätten der Mangelsituation zumindest teilweise entgegenwirken können.

Ralf Brandstätter will das allerdings nicht als einzigen Grund für die aktuell angespannte Lagen akzeptieren. Hinzu kämen die Auswirkungen der Pandemie: Die Zunahme beim Arbeiten im Homeoffice und die neuen Initiativen beim Fernunterricht an den Schulen haben zu einem Nachfrageschub bei digitalen Endgeräten wie PCs, Laptops und Tablets geführt. Auch diese zusätzliche Bedarf ist eine Ursache für den aktuellen Mangel.