Vertrauen in die Unbestechlichkeit sinkt

Die weltweit bekannte und geschätzte Korrektheit der Deutschen scheint im eigenen Land zunehmend weniger zu gelten. Laut einer Umfrage von Transparency International (TI) nimmt der Anteil derer stark zu, die an ein Anwachsen von Korruption in Deutschland glauben. Insbesondere der Bundesregierung trauen die Bürger*innen auf diesem Gebiet einiges zu.

Der Korruptionsbericht Global Corruption Barometer der Berliner Organisation zeigt auf, dass zahlreiche Bürger aktuell nicht glauben, die Regierung träfe ihre Entscheidungen ausschließlich auf der Basis objektiver Kriterien und unabhängig von äußeren Einflüssen. Auch legen viele Menschen eigene Erfahrungen mit Korruption offen.

Europaweite Umfrage

Die Untersuchung von Transparency International fußt auf der Befragung von über 40.000 Personen in 27 Mitgliedsstaaten der EU und wird alle fünf Jahre neu erstellt. Rund ein Drittel der Befragten setzt derzeit wenig Vertrauen in die deutsche Regierung.

Die Verdachtsmomente zeigen sich auf überraschend konkrete Art: Die Skeptiker sind davon überzeugt, dass es innerhalb der Bundesregierung ein konkretes Problem mit Korruption gibt. In abgeschwächter Form vermuten knapp zwei Drittel der Befragten mangelnde Souveränität unter den Regierenden in Deutschland. Sie glauben, die Regierungsarbeit sei in weiten Teilen durch einige einflussreiche Interessengruppen beeinflusst. Durch sie werde die Politik in der Bundesrepublik im Sinne der Lobbyisten gelenkt.

Mehr Korruption durch Corona

In der Wahrnehmung eines Teils der Umfrageteilnehmer hat die weltweite Corona-Pandemie die Korruption in Deutschland noch weiter befeuert. Das findet rund ein Viertel der Befragten, im Gegensatz zu etwas über 50 Prozent, die keinen Einfluss der Pandemie auf die Korruption innerhalb der Regierung wahrnimmt.

Trotz aller Bedenken scheint sich ein allgemeiner Glaube an das Gute gehalten zu haben. Etwa 80 Prozent der Umfrageteilnehmer versichern, weiterhin grundsätzliches Vertrauen in die deutsche Regierung zu haben.

Das Global Corruption Barometer ist die größte Befragung zu Korruption

Laut eigenen Angaben veröffentlicht Transparency International mit dem Global Corruption Barometer die weltweit größte Untersuchung zum Thema Korruption, ergänzt durch eine jährliche Befragung. Die Studie befasst sich nicht mit der tatsächlich existierenden Bestechlichkeit in der Gesellschaft. Vielmehr zeigt sie auf, wie sich die Wahrnehmung zu diesem Thema in der Bevölkerung darstellt.

Die 2003 erstmals veröffentlichte Studie weist in jeder Ausgabe unterschiedliche Schwerpunkte aus, die sich aus den gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben. So haben einige Skandale in jüngster Zeit zu dem aktuellen Vertrauensverlust der Deutschen in ihre Regierung geführt, allen voran die Wirecard-Affäre und der Cum-Ex-Skandal. “Das Vertrauen vieler Menschen in die Unabhängigkeit der Bundesregierung ist erschüttert”, sagt dazu Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland.

TI fordert Nachbesserungen beim Lobbyregister

Das vor Kurzem beschlossene Lobbyregister scheint ein erster Schritt in die richtige Richtung zu sein, bedarf aber nach Ansicht von Transparency International noch deutlicher Nachbesserungen. Insbesondere die Autorenschaft bei neuen Gesetzen sei noch nicht klar genug offengelegt.

Welche Gruppen oder Einzelpersonen maßgeblichen Einfluss auf Gesetzesentwürfe nehmen oder gar am Gesetzestext mitschreiben, müsse für jede*n klar ersichtlich sein. Bei der Offenlegung seien sowohl die Regierung als auch das Parlament in der Pflicht, so Hartmut Bäumer.

Gute Noten für Deutschland im europäischen Vergleich

Trotz des sinkenden Vertrauens in die deutsche Regierung stellt sich Deutschland beim Thema Korruption gegenüber anderen Ländern dennoch positiv dar. Dem Drittel der Deutschen, die an Korruption im Bundestag glauben, stehen durchschnittlich 62 Prozent der europäischen Bürger gegenüber, die ihrer eigenen Nationalregierung Korruption zutrauen.

Am schlimmsten bewerten die Bürger Kroatiens und Bulgariens die Situation: Hier sind über 90 Prozent der Bevölkerung davon überzeugt, ihre Regierung sein von Korruption durchsetzt. An der Spitze der Skala steht Finnland und Dänemark. Nur 16 Prozent der Finnen und zwölf Prozent der Dänen glauben an Korruption in der eigenen Staatsführung.

 

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