Ver.di will bei Amazon Streik zum Prime Day

Amazon-Mitarbeiter sollen ab Wochenbeginn die Arbeit niederlegen – genau zu dem Zeitpunkt, bei dem es in den Amazon-Logistikzentren wegen des gesteigerten Bestelleingangs durch den Prime Day besonders hoch hergeht. So jedenfalls will es die Gewerkschaft Ver.di und kündigt Streiks in mehreren deutschen Versandzentren an.

Wie jedes Jahr, befeuert Amazon in seiner Prime Day genannten Verkaufsaktion durch eine Flut von Sonderangeboten das Tagesgeschäft. Das bedeutet jede Menge zusätzliche Belastung für die Mitarbeiter – vom allgemeinen Bestell-Plus durch Corona ganz abgesehen. Nach Sichtweise von Ver.di gibt es dafür von Arbeitgeberseite keinen angemessenen Ausgleich. Das soll durch den aktuellen Streik besser werden.

Sieben Versandzentren betroffen

Wie aus der Ver.di-Führungsetage verlautet, soll es am Montag und Dienstag an diesen sieben Standorten zur Arbeitsniederlegung kommen: Bad Hersfeld mit zwei Zentren, Graben, Koblenz, Leipzig, Rheinberg und Werne.

Da während des Prime Day die logistischen Anforderungen besonders hoch sind, dürfte es durch den Streik zu erheblichen Verzögerungen bei der Auslieferung kommen. Da sich die verzögerte Übergabe bestellter Produkte an die Lieferflotte auch auf die Zustellung auswirkt, dürfte der Streik indirekt auch die Amazon-Lieferfahrer außerhalb der bestreikten Logistikzentren betreffen.

Ver.di: „Gewinne fließen allen in die Taschen des Konzerns“

Orhan Akman, bei Ver.di zuständig für den Einzel- und Versandhandel, weist nachdrücklich auf das Missverhältnis zwischen Unternehmenserträgen und Mitarbeiterbeteiligung hin. Amazon setze Millionen für Werbung ein und mache während des Prime Day Milliardenumsätze.

„Den Kundenansturm müssen die Beschäftigten in den Versandzentren bewältigen und bekommen für die zusätzlich verschärfte Arbeitsbelastung keinen Cent mehr“, erläutert der Gewerkschaftsvertreter. „Die Gewinne fließen allein in die Taschen des Konzerns und seiner Shareholder, während den Beschäftigten weiterhin eine tarifvertragliche Entlohnung sowie gute und gesunde Arbeitsbedingungen verwehrt werden.“

Amazon sieht keinen Grund für den Streik

Der Versandhändler widerspricht den Vorwürfen der Gewerkschaft auf ganzer Linie. Nach Sicht des Unternehmens gäbe es keine Veranlassung für Arbeitsniederlegungen, so ein Konzernsprecher in einer Stellungnahme.

Amazon bietet nach eigener Auffassung exzellente Bezahlung, zahlreiche Zusatzleistungen und Karrierechancen. Hinzu käme eine sichere und moderne Arbeitsumgebung. Zudem soll in den bundesdeutschen Versandzentren ein Mindestlohn von zwölf Euro brutto eingeführt werden, der dann im Herbst auf 12,50 Euro angehoben wird.

Verdi: “Mindestlohn ist zynisch”

Auf krasse Ablehnung gerade des Mindestlohns stößt die Aktion des Versandriesen bei der Gewerkschaft. „Zynisch und fern von Anerkennung und Respekt gegenüber den Beschäftigten durch den Konzern“, so bewertet Ver.di die Mindestlohn-Initiative des Handelskonzerns.

Kernpunkt des aktuellen Streiks dürfte weniger die erhöhte Arbeitsbelastung durch den Prime Day sein. Vielmehr verfolgt Ver.di damit augenscheinlich eine Strategie, die bereits Jahre zurückreicht. Was der Gewerkschaft insbesondere bitter aufstößt, ist die standhafte Weigerung von Amazon, Tarifverträge abzuschließen.

Basis der Ver.di-Forderungen gegenüber Amazon ist die Anerkennung der Flächentarifverträge für den Einzel- und Versandhandel. Darüber hinaus fordert Amazon den Beginn von Verhandlungen über den Tarifvertrag „Gute und gesunde Arbeit“. Dieser spezielle Tarifvertrag ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen mit Verbänden für den Einzel- und Versandhandel. Bisher weigert Amazon sich konsequent, in die Verhandlungen einzusteigen.

Der Streik zum aktuellen Prime Day dürfte Amazon zwar einige Verluste, aber keine ernsthaften Schwierigkeiten bereiten. Dennoch ist abzusehen, dass es sich dabei nicht um die letzte gewerkschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzerns handeln wird. Auf der Amazon-Chefetage könnten sich Überlegungen lohnen, ob nicht doch eine irgendwie geartete Einigung mit der Gewerkschaft auf Dauer die vorteilhaftere Lösung darstellt.