US-Notenbank: stärkste Zinsanhebung seit 22 Jahren
Die zeitweise bis auf 8,5 Prozent hochgeschnellte Inflation in den USA hat die amerikanische Notenbank nun veranlasst, einen lange gescheuten Schritt zu tun. In einer ungewöhnlich drastischen Maßnahme hebt die Fed den Leitzins gleich um 0,5 Prozentpunkte an. Damit liegt der Zins nun zwischen 0,75 und 1 Prozent.
Die Anhebung kommt allerdings nicht unerwartet. Analysten gehen bereits seit einiger Zeit davon aus, dass die Fed angesichts der aktuellen Inflationsrate ihre derzeitige Politik aufgibt und Geld wieder teurer werden lässt. Die aktuelle Anhebung dürfte nur einer in einer Reihe weiterer Schritte sein.
Fed gibt ihre Rolle als Ruhepol auf
Besonders die Höhe des Zinsschritts lässt aufhorchen. In der Regel führt die Federal Reserve Zinsanpassung in Schritten von 0,25 Prozent durch. Dass sich die amerikanische Notenbank diesmal gleich zu zwei Schritten auf einmal entschlossen hat, belegt, wie brisant sie die derzeitige Inflationslage wahrnimmt.
Offenbar ist die Fed daran interessiert, diese Sichtweise auch öffentlich zu kommunizieren. “Die Inflation ist viel zu hoch”, sagte Fed-Chef Jerome Powell in einer Pressekonferenz. “Wir erkennen die Härten, die das verursacht und tun alles in unserer Macht Stehende, um sie wieder zu senken.”
Das Statement lässt deutlich darauf schließen, dass weitere Zinsschritte anstehen. Beobachter vermuten, dass es bereits auf der nächsten Sitzung des Zentralbankrats zu einer weiteren Erhöhung kommen wird, aller Voraussicht nach wieder um 0,5 Prozentpunkte.
Ausgleich gegensätzlicher Einflüsse
Die Federal Reserve – wie auch die Notenbanken in anderen Ländern – sieht sich angesichts der aktuellen Lage einem widersprüchlichen Szenario ausgesetzt. Auf der einen Seite verlangen die Auswirkungen der globalen Corona-Pandemie Zurückhaltung bei der Zinspolitik – eine Forderung, der die Fed im März 2020 durch Rückführung des Zinsniveaus auf Null nachgekommen ist.
Auf der anderen Seite macht die durch den Ukraine-Krieg weiter angefachte Inflation das genaue Gegenteil erforderlich. Mit einer Inflation von 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr leiden die USA derzeit unter der höchsten Teuerungsrate seint 1982.
Der derzeitige Preisauftrieb speist sich aus unterschiedlichen Quellen. An der Spitze stehen die markant gestiegenen Energie- und Ölpreise, gefolgt von nachhaltigen Störungen der Lieferketten. Auch der chronische Mangel bei den Arbeitskräften drückt kräftig auf die wirtschaftliche Entwicklung.
Die aktuelle Zinsanhebung ist bereits der zweite Schritt der Fed, die Balance wieder herzustellen, nach einer ersten Anhebung um 0,25 Prozent im März. Das strategische Ziel lautet: Anpassung von Angebot und Nachfrage, um auf diesem Weg die Inflation in den Griff zu bekommen.
Inflationsbekämpfung darf nicht zu Rezession führen
Das Ziel der amerikanischen Notenbank ist es, eine Abkühlung der Konjunktur herbeizuführen, die nicht in eine Rezession führt. “Dieser Balanceakt wird nicht einfach werden”, sagt dazu Jerome Powell. Durch die Anhebung des Basiszinses verteuern sich Kredite, während gleichzeitig die Nachfrage sinkt. Erfolgt diese Maßnahme nicht in sorgfältig abgewogenen Schritten, gerät die Gesamtwirtschaft ins Rutschen und die Gefahr einer Rezession wächst.
Als begleitende Maßnahme beschloss die Fed, die während der Corona-Pandemie massiv durchgeführten Anleihenkäufe wieder abzuwickeln. Das auf knapp neun Billionen Dollar angewachsene Anleihen-Gebirge soll von nun an in mehreren Schritten abgetragen werden.
Der so eingeleitete Entzug von Liquidität an den Finanzmärkten soll die Effekte der Zinsanhebung verstärken, insbesondere die Verteuerung der Kredite und den damit zusammenhängenden Rückgang bei der Nachfrage. Das Maßnahmenpaket entspricht der grundsätzlichen Aufgabenstellung der Federal Reserve. Sie soll vor allem Vollbeschäftigung und Stabilität bei den Preisen gewährleisten – eine Aufgabe, die sich angesichts der widersprüchlichen Signale von Corona und Inflation als immer anspruchsvollere Herausforderung gestaltet.