Schicksalswochen für den Ripple betreffen die gesamte Kryptobranche

Die gerichtlichen Entscheidung im Marathonprozess zwischen der amerikanischen Börsenaufsicht SEC und Ripple Labs, dem Herausgeber der Kryptowährung Ripple, erwarten Prozessbeobachter in dieser oder der nächsten Woche. Das summarische Urteil von Richterin Analisa Torres düfte allerdings nicht nur für den Ripple von existentieller Bedeutung sein – die gesamte Kryptobranche wartet mit Spannung auf die Entscheidung.

Seit zwei Jahren streiten die Beteiligten um die von der SEC aufgeworfene Frage: Ist der Ripple ein Wertpapier? Von der Klärung dieses Streitpunkts hängt die Kryptobranche in ihrer Gesamtheit ab: Setzt sich die SEC mit ihrer Auffassung durch, dürfte sich ein großer Teil der anderen Währungen schon bald ähnlichen Anschuldigungen ausgesetzt sehen.

Ripple-Kurs in der Warteschleife

Zwar hat der Kurs des Ripple in den letzten Wochen eine beachtliche Outperformance hingelegt und seinen Wert um rund 25 Prozent gesteigert. Doch die zwischengelagerten Kursrückschläge zeigen: Ohne einen Sieg vor Gericht kann der Coin sein in ihm schlummerndes Potential nicht angemessen ausspielen.

Eine Reihe von Indizien weisen darauf hin, dass die SEC ihren Standpunkt nicht durchsetzen kann und das Urteil zu Gunsten von Ripple Labs ausfallen könnte. Letzter Clou der Ripple-Anwälte: Sie reichten eine Notice of Supplemental Authority ein, also einen Schriftsatz, der zusätzliche externe Argumentationen beinhaltet, um die Position von Ripple Labs zu festigen.

Demnach hat die SEC keine klare Entscheidungsgrundlage, nach der sie durchsetzen kann, den Ripple als Wertpapier einzustufen. Das Papier bezieht sich dabei vor allem auf einen Präzedenzfall: Beim Verkaufsangebot von Voyager Digital an Binance hatte die Lesart, es handele sich dabei um ein Wertpapier, keinen Bestand.

Urteil mit massiven Auswirkungen

Kommt es zu einem Prozesssieg für Ripple, erwarten Krypto-Analysten einen wilden Bullenritt beim Wechselkurs. Im Raum stehen Werterwartungen bis zu fünf Dollar pro Ripple. Geht die Verhandlung zu Ungunsten des Coin-Herausgebers aus, dürfte es trotzdem nicht zu einem sofortigen Absturz kommen, da Ripple Labs sich mit einem negativen Urteil nicht abfinden wird.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird der Ripple-Herausgeber gegen eine negative Entscheidung Berufung einlegen, was den aktuellen Status erst einmal für Monate, wenn nicht Jahre, einfrieren wird. Einen Crash schließen Beobachter daher erst einmal aus. Auf der anderen Seite dürfte der Ripple in diesem Fall auch in nächster Zukunft weit unter Wert dahindümpeln.

SEC kämpft bis zum letzten Augenblick

Dass sich die SEC nicht geschlagen geben will, belegt die Antwort der Behörde auf die Notice of Supplemental Authority: Nach ihrer Sichtweise hat der vorgelegte Präzedenzfall keinen Bezug zum laufenden Verfahren. Ob das wirklich so ist, wird die Entscheidung der Richterin zeigen.

Für die US-Regierung ist das anstehende Urteil ebenfalls von grundlegender Bedeutung, denn es hat grundsätzliche Auswirkungen auf den künftigen Umgang der amerikanischen Regierung mit Kryptounternehmen. Nachdem die amerikanischen Finanzbehörden dem Kryptomarkt gegenüber einen für die USA recht untypischen Regulierungsdrang an den Tag gelegt haben, könnte eine Urteil pro SEC der Kryptobranche das Leben in Amerika ziemlich schwer machen.

Was die Klärung der Auseinandersetzung so kompliziert und langwierig werden lässt, ist das Fehlen einer auf den Fall anwendbaren Rechtsgrundlage in den USA. Sowohl die klagende SEC als auch die beschuldigten Ripple Labs bewegen sich bei der Klärung der Sachlage streckenweise im rechtsfreien Raum.

Bisher hat vor allem die SEC es verstanden, die unklare Rechtslage zu ihren Gunsten auszunutzen. Doch scheint Richterin Analisa Torres dieser Strategie zunehmend kritisch bis ablehnend gegenüberzustehen. Inwieweit sich das auf das Urteil auswirken wird, dürften die nächsten Wochen zeigen.