Romantik in Russland und Deutschland – wegweisende Ausstellung in Moskau
„Träume der Freiheit“ – so lautet der Titel einer außergewöhnlichen Ausstellung in der Moskauer Tretjakow-Galerie, die seit letzten Donnerstag bis zum 8. August Meisterwerke der Romantik aus Russland und Deutschland präsentiert. Danach ist die Ausstellung vom 2. Oktober bis 6. Februar 2022 im Albertinum in Dresden zu sehen.
Dass es sich bei „Träume der Freiheit“ nicht um eine Ausstellung wie viele handelt, beweist die Gästeliste der Eröffnungsveranstaltung. Wenn angesichts der aktuell nicht zum Besten stehenden Beziehungen zwischen den beiden Ländern Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer samt Regierungsdelegation zur Eröffnung erscheint, sagt das einiges über die Bedeutung der Schau aus.
Eine Ausstellung der Superlative
„Träume der Freiheit“ gilt als Höhepunkt des Deutschlandjahres in Russland. Die Ausstellung ist das Werk eines russisch-deutschen Kuratorenteams. Die architektonische Gestaltung stammt von niemand Geringerem als Architektur-Star Daniel Libeskind.
Die Schau ist ein Gemeinschaftsprojekt der Tretjakow-Galerie – spezialisiert auf nationale russische Kunst – und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, insbesondere dem Albertinum.
„Träume der Freiheit“ präsentiert 134 Gemälde, darunter 70 Werke aus russischen Sammlungen mit in Russland berühmten Kunstwerken von Malern wie Alexander Iwanow, Alexei Wenezianow oder Maxim Worobjow. Aus Deutschland kommen 64 Werke der zentralen Protagonisten der deutschen Romantik wie Caspar David Friedrich oder Carl Gustav Carus.
Das Zustandekommen der Ausstellung trotz der Pandemie-bedingten Reisebeschränkungen war ein logistischer Hochseilakt, insbesondere der Transport der deutschen Gemälde von Hamburg nach Moskau. Vervollständigt wird die Schau durch eine Reihe von Leihgaben aus russischen und deutschen Sammlungen. Ihre Anlieferung bedeutete eine zusätzliche Herausforderung für das komplizierte Ablaufschema zur Anlieferung aller Werke zur richtigen Zeit.
Welche Bedeutung der Ausstellung beizumessen ist, belegt der Umstand, dass selbst die Eremitage in Sankt Petersburg – üblicherweise sehr restriktiv mit Leihgaben – zwei Werke von Caspar David Friedrich beisteuerte.
Befreiung des Individuums als Leitmotiv
Die Ausstellung illustriert den Leitgedanken der Romantik – die radikale Befreiung des Individuums in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die besondere Herausforderung dabei: die Schaffung eines sinnvollen Kontextes für die gemeinsame Präsentation russischer und deutscher Kunst.
„Wir standen vor der ungewöhnlichen, teilweise auch seltsamen Aufgabe, deutsche und russische Kunst in einem gemeinsamen Projekt auf sinnvolle Weise zu vereinigen. Ein Projekt wie dieses hat es bisher noch nicht gegeben“, sagt dazu Sergej Fofanow, ein Mitglied des russischen Kuratorenteams.
Auf die gesellschaftliche Relevanz der Romantik für die nachfolgenden Epochen bis hin zur Gegenwart weist Albertinum-Direktorin Hilke Wagner im Vorwort des Ausstellungskatalogs hin: „Die Ausstellung macht deutlich, dass unsere Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts die gesellschaftlichen Prozesse, die vor 200 Jahren initiiert wurden, fortsetzt: die Frage nach dem Subjekt, einem selbstbestimmten, freiheitlichen Leben und nach Geborgenheit in einer selbst gewählten Heimat“.
Anfängliche kulturelle Dissonanzen – erfolgreich überwunden
Dass es im Anfangsstadium der gemeinsamen Planung zu Reibungen und Meinungsverschiedenheiten kam, ist nachvollziehbar: „Die Kunst der Romantik ist zutiefst im jeweils anderen nationalen Gedächtnis verankert“, sagt dazu Sergej Fofanow in einem Interview mit der Deutschen Welle. Für die Angehörigen beider Kuratoren-Teams bedeutete insbesondere die russische Romantik „eine neue Begegnung“, so Kunsthistoriker Holger Birkholz aus dem deutschen Team.
Die fortschreitende Zusammenarbeit führte schließlich zur maßgebenden Erkenntnis: „Zusammen mit den russischen Kollegen haben wir festgestellt, dass es doch mehr Gemeinsamkeiten zwischen der russischen und deutschen Kunst der Romantik gibt als Unterschiede“, so Holger Birkholz zum Ergebnis der gemeinsamen Arbeit.