Richard Branson hofft auf Tourismus im Weltraum

Nach dem Kurztrip von Virgin-Chef Richard Branson knapp über den Rand der Erdatmosphäre hinaus verkündete Amazon-Gründer Jeff Bezos, nur Tage vor dem eigenen Weltraum-Debut, seine Raumkapsel habe zumindest die größeren Fenster. Der Kampf um die Fenstergröße weist auf den Aspekt hin, den die beiden Raumfahrt-Neulinge als besonders profitabel ansehen: den Tourismus.

Die millionenschwere Verwirklichung seines Kindheitstraums erfüllte sich Richard Branson als Astronaut 001 seiner sechsköpfigen Crew. Theoretisch ist damit die Ära der kommerziellen Raumfahrt eingeläutet, doch bis zu einem regelmäßigen Geschäftsbetrieb sind noch einige Hürden zu überwinden.

Regelbetrieb ab 2022

Für die kommenden Monate stehen in Bransons Raumfahrtunternehmen Virgin Galactic noch zwei weitere Testflüge an. Ob der weltraumbegeisterte Milliardär an beiden teilnehmen wird, steht noch nicht fest. Ab 2022 sollen dann regelmäßige Ausflüge ins All starten, für die Interessenten Plätze buchen können.

Noch herrscht bei dem Weltraumpionier die Begeisterung über das Erlebte vor. “Nichts kann dich auf den Blick vom Weltraum auf die Erde vorbereiten”, schwärmt Richard Branson. Dennoch ist abzusehen, dass der Virgin-Chef auf den möglichst schnellen Übergang zu nüchternem business as usual hofft. Ob es dazu kommen wird, ist allerdings noch nicht in trockenen Tüchern.

Auch Elon Musk hofft auf den Weltraum

Moralische Unterstützung beim Start um 10:40 Uhr Ortszeit erhielt Richard Branson vom dritten privaten Weltraum-Enthusiasten: Tesla-Chef Elon Musk, der mit seiner Firma SpaceX ebenfalls Weltraum-Ambitionen umsetzen möchte, ließ es sich nicht nehmen, am Startgelände in New Mexico anwesend zu sein.

Anders als Branson und Bezos bietet Elon Musk kommerzielle Raumfahrt mit echtem Nutzeffekt an, so Flüge zur internationalen Raumstation ISS, Flüge zum Mond oder den Transport größerer Personenzahlen. Der neueste Typ seiner Trägerrakete names Starship soll dereinst bis zu 100 Menschen an Bord nehmen und in den Weltraum befördern können.

Tourismus mit kleinen Fehlern

Die Geschäftsmodelle von Richard Branson und Jeff Bezos, die hauptsächlich auf kurze Hüpfer über die Grenze zum Weltraum abzielen, um unternehmungslustigen Millionären für einige Minuten das Gefühl der Schwerelosigkeit zu vermitteln, steht nach Ansicht von Tourismusexperten auf wackeligen Beinen. “Das kann man auch bei einem gewöhnlichen Parabelflug der NASA erleben”, meint dazu ein Branchenbeobachter.

Tourismus ist nach Meinung der Fachleute ein Massenphänomen, das auf hohe Kundenzahlen setzt. Die Weltraumausflüge von Richard Branson und Jeff Bezos sind mit Kosten von rund 200.000 Dollar pro Platz auf eine exklusive Minderheit zahlungskräftiger Superreicher ausgerichtet. Auch die Frage, ob die unternehmungslustigen Millionäre ihren Weltraumtrip wiederholen werden, steht buchstäblich in den Sternen. Ob sich auf dieser Basis ein nachhaltiges Geschäftsmodell etablieren lässt, darf zumindest angezweifelt werden.

Raumfahrt als Sandkastenspiel

Auch die Ernsthaftigkeit der frischgebackenen Weltraumpioniere lässt zumindest in Teilbereichen Fragen aufkommen. Wenn sich Chefs milliardenschwerer Weltraumunternehmen gegenseitig per Twitter verunglimpfen, sind Gedanken zur wahren Motivation der Protagonisten angebracht.

Das geht über die Kabbelei zur Fenstergröße der jeweiligen Raumkapseln weit hinaus. Eifersüchteleien über die erreichte Flughöhe oder die Ausgestaltung der Trägersysteme weisen darauf hin, dass es den Weltraum-Unternehmern vielleicht doch nicht in erster Linie um die Eroberung des Weltraums geht, vielleicht nicht einmal um eine profitable Einnahmequelle. Möglicherweise sind die Raumfahrt-Ambitionen der Erfolgsmenschen Branson und Bezos in erster Linie Prestigeobjekte. Ob das für Investoren eine gute Nachricht darstellt, steht auf einem anderen Blatt.