Rassismus – auch an deutschen Theatern ein reales Phänomen

Gerade das Theater, das die Botschaft von Weltoffenheit und Toleranz quasi in seinen Genen trägt, leidet selbst unter rassistisch motivierten Strukturen, und das sogar da, wo das künstlerische Ereignis stattfindet – auf der Bühne. Der jüngste Vorfall am Düsseldorfer Schauspielhaus ist nur eine Episode unter vielen.

Schauspieler Ron Iyamu konnte den Druck nicht länger aushalten und macht nun seiner Frustration in einem Video auf seinem Instagram-Account Luft. “Ich erlebe jeden Tag Rassismus”, klagt der Darsteller mit nigerianischen Wurzeln.

Im Kunstbereich nimmt Rassismus besondere Formen an

Neben den üblichen Ausgrenzungen fremdländisch aussehender Menschen sehen sich Schauspieler einer weiteren Form von Diskriminierung ausgesetzt: rassistischer Besetzungspolitik. Sie macht Personen mit abweichender Hauptfarbe bestimmte Rollenfächer unzugänglich. „Schauspieler und Schauspielerinnen mit Migrationshintergrund können keine Ärzt*innen oder Akademiker*innen spielen“, berichtet Ron Iyamu über seine Erfahrungen am Düsseldorfer Schauspielhaus. Offenbar dominieren an vielen Häusern unterschwellig rassistische Klischees, wonach dem Publikum bei ethisch oder prestigemäßig hochwertigen Rollen keine fremdländisch anmutenden Darsteller zugemutet werden können.

Daneben regiert an vielen Häusern auch der ganz normale Rassismus, wie er überall in der Gesellschaft anzutreffen ist. Nach Übernahme der Rolle eines haitianischen Freiheitskämpfers musste Ron Iyamu von seinen Kollegen und Kolleginnen andauernde rassistische Witze hinnehmen. So hatten ihn andere Schauspieler auch außerhalb seiner Rolle wiederholt als “Sklave” angesprochen.

Strukturelles Problem: mangelnder Rückhalt

Rassismus kann sich am Arbeitsplatz nur ausbreiten, wenn von der Führungsebene keine regulierende Autorität ausgeht. Das gilt für normale Unternehmen ebenso wie für Stätten des Kulturbetriebs, wobei letztere eigentlich eine besondere Sensibilität für das Thema entwickeln sollten. Am Düsseldorfer Schauspielhaus konnte der Schauspieler mit nigerianischen Wurzeln allerdings keine Hilfe finden. Proteste des Darstellers nahm die Theaterleitung nicht ernst. Beschwerden lösten in keinem Fall eine Intervention aus. Schwere Vorwürfe erhebt Ron Iyamu in diesem Zusammenhang gegen Intendant Wilfried Schütz. Dieser habe in seinem Haus bewusst auch Regisseure verpflichtet, deren rassistische Grundhaltung allgemein bekannt war und die sich vielfach durch rassistische und sexistische Aussprüche über Mitglieder des Ensembles profiliert hatten.

Ein Tabu löst sich auf

Rassismus an deutschen Bühnen war über lange Zeit hinweg ein Tabuthema, an das sich niemand heranwagte – vor allem nicht die Opfer. Mittlerweile wächst der Widerstand unter den Darsteller*innen auf breiter Front. Kritikpunkte sind vor allem Spielpläne, die zu wenig Diversität aufweisen, und Inszenierungen, die rassistische Stereotype begünstigen. Das bestätigt auch der Deutsche Bühnenverein. „Wenn kulturelle Einrichtungen nicht die Zusammensetzung unserer vielfältigen Gesellschaft wiederspiegeln, dann muss man sich fragen, was falsch läuft”, sagt dazu Geschäftsführer Marc Grandmontagne in einem Interview mit der Deutschen Welle. “Das gilt überall und ganz besonders dort, wo der Anspruch herrscht, die großen gesellschaftlichen Fragen auf der Bühne zu verhandeln.“

Bisherige Maßnahmen greifen nicht

Zwar verfügen viele Theater – so auch das Düsseldorfer Schauspielhaus – auf Initiative der Bundeskulturstiftung über einen Diversitätsbeauftragten. Dessen Aufgabenbereich ist allerdings meist unzureichend definiert, wendet Ron Iyamu ein. Das Problem sieht auch der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins: „Grundsätzlich lebt die Wirksamkeit einer solchen Stelle davon, wie sehr sie ernst genommen und mit einbezogen wird.“ In dieser Hinsicht scheint noch viel Arbeit vor allen Beteiligten zu liegen.