Österreichischer Ex-Vizekanzler Strache wegen Bestechlichkeit verurteilt
Das Urteil des Wiener Landesgerichts gegen den ehemaligen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache bildet den vorläufigen Abschluss der Affäre um das Ibiza-Video aus dem Jahr 2019, das schließlich zum Bruch der Koalition zwischen ÖVP und FPÖ führte. Das Gericht verurteilte Strache zu 15 Monaten bedingt, also zur Bewährung.
Auch nach dem Urteilsspruch am 27. August bestreitet der beschuldigte Politiker hartnäckig alle Vorwürfe. „Wir haben heute ein erstinstanzliches Urteil erfahren, dass mich einerseits zutiefst überrascht hat aber auch schockiert hat“, erklärte Heinz-Christian Strache vor laufenden Kameras.
Bestechlichkeit nach Ansicht des Gerichts erwiesen
Die Urteilsbegründung der Richterin am Wiener Landesgericht für Strafsachen lässt keine Zweifel offen: „Für die Bezahlung eines Abgeordneten, der später Vizekanzler wird, gibt es keine Rechtfertigung und darf es keine Rechtfertigung geben“, heißt es in der Begründung gegen den am rechten politischen Rand beheimateten Politiker.
Für den früheren FPÖ-Parteichef dürfte das noch nicht rechtskräftige Urteil das vorläufige Karriereende bedeuten. Dennoch ist der Vorgang noch nicht abgeschlossen. Die Anwälte des 52-jährigen Politikers kündigten gleich nach dem Urteil Berufung an.
Gericht: „Klarer Fall von Gesetzeskauf“
Die vorgelegten Beweise genügten dem Wiener Landesgericht, um einen Fall von Gesetzeskauf festzustellen. Demnach hat der befreundete Eigner einer Privatklinik Parteispenden an die FPÖ fließen lassen. Im Gegenzug habe Strache eine für den Freund vorteilhafte Gesetzesänderung unterstützt.
Neben der indirekten Vorteilsnahme durch Spenden an Straches Partei hat der Politiker nach Ansicht des Gerichts keine persönlichen Vorteile aus dem Deal gezogen: Eine von dem Klinikbetreiber finanzierte Urlaubsreise für die Familie Strache nach Korfu habe der Politiker abgelehnt.
Auch Straches Freund wurde im Rahmen des Prozesses schuldig gesprochen. Wegen Bestechung erhielt er eine Strafe über zwölf Monate Haft, ebenfalls zur Bewährung.
Video deckt fragwürdige Pareispendenpraxis auf
Ein im Mai veröffentlichtes, verdeckt aufgenommenes Video eines im Juli 2017 geführten Gespräches zwischen Heinz-Christian Strache und dem damaligen Nationalratsabgeordneten und FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus zeigt ein Treffen mit einer als Nichte eines russischen Oligarchen bezeichneten Frau in einer Villa auf Ibiza.
Nach Ansicht des Gerichts belegt das Video eindeutige Anzeichen der Bereitschaft zur Korruption. So ist von der getarnten Übernahme der Kontrolle über parteiunabhängig Medien die Rede, ebenso von Methoden zur Umgehung der österreichischen Gesetzgebung zur Parteienfinanzierung.
Das Video war der Auslöser umfangreicher Ermittlungen gegen die Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ wegen möglicher Korruption. Die Ermittlungen dauern über den Urteilsspruch hinaus weiter an.
Bestechung mit konkretem Ziel
Die Korruption zwischen Heinz-Christian Strache und seinem Freund hatte ein konkretes strategisches Ziel. Der Eigner einer in Wien ansässigen Klinik für kosmetische Chirurgie bemühte sich darum, Zugang zum staatlichen Finanzierungsfonds für Privatkrankenanstalten zu bekommen, was ihm die Abrechnung medizinischer Leistungen spürbar erleichtert hätte.
Der Unternehmer spendete der damals noch in der Opposition befindlichen FPÖ in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt rund 12.000 Euro. Nachdem HC Strache schließlich das Amt des Vizekanzlers für sich gewann, erfolgte prompt der Zugang der Klinik zum Fonds. Das Gericht leitete daraus sowohl einen thematischen als auch einen zeitlichen Zusammenhang ab.
Verteidigungsstrategie blieb erfolglos
Nicht durchsetzen konnten sich Straches Verteidiger mit der Behauptung, Strache habe lediglich versucht, die allgemein unfaire Behandlung von Privatkliniken zu bekämpfen. Es wäre nicht in erster Linie darum gegangen, einem Freund zu helfen.
Darüber hinaus erwartet Heinz-Christian Strache noch ein weiteres Verfahren in einer anderen möglichen Korruptionsaffäre. In der neuen Angelegenheit geht es um Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit mehreren Glücksspielunternehmen.
Gemeinsam mit Strache sind auch Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel und eine Reihe weiterer Persönlichkeiten aus dem Umfeld der ÖVP Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.