Nvidia knackt beim Firmenwert die Billionenmarke – dank KI
Früher bezog Grafikchip-Hersteller Nvidia sein Prestige aus dem Bereich Bildgenerierung und Computerspiele. Seit einiger Zeit allerdings versteht sich das Unternehmen vor allen Dingen als Anbieter von Systemen für Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Das scheinen auch Investoren so zu sehen: Anlässlich Nvidias Auftritt bei der Hardware-Messe Computex im taiwanesischen Taipeh, auf der sich der Chiphersteller als AI Computing Company definierte, schoss der Kurs der Aktie kurzfristig auf 410 Dollar – und damit auf eine Marktkapitalisierung über eine Billion Dollar.
Der enorme Bedarf an Rechnerkapazität für den Betrieb von AI-Anwendungen wie ChatGPT spielt dem Chipproduzenten direkt in die Hände, denn Grafikchips sind genau darauf angelegt. Durch ihre Fähigkeit, zahlreiche Prozesse parallel abzuwickeln, sind sie die idealen Bauteile für Hochleistungscomputer, wie sie für künstliche Intelligenz unumgänglich sind. Besonders die Ankündigung des Chipherstellers anlässlich der Computex, in Zukunft verstärkt in KI zu investieren, hat zu dem selbst für Analysten unerwarteten Kurssprung geführt.
Massiver Wertanstieg seit Strategiewechsel hin zu KI
Den Bereich künstliche Intelligenz in den Mittelpunkt der Firmenstrategie zu stellen, hat sich als Glücksgriff erwiesen. Innerhalb eines Jahres konnte Nvidia so seinen Firmenwert in etwa verdoppeln. Auf der Rangliste der weltweit wertvollsten Unternehmen nimmt der Chiphersteller nun Platz sechs ein, nach Banco Itau Chile, Apple, Microsoft, Alphabet und Amazon.
Vor allem eine Ankündigung dürfte Nvidia zu seinem überraschenden Wertzuwachs verholfen haben: Das Unternehmen plant in Israel den Bau des weltweit schnellsten Supercomputers, natürlich auf der Basis seiner Grafikchips. Das ist Nvidias Antwort auf den rasanten Nachfrageschub nach Rechnerleistung für den Betrieb generativer KI, die als besonders leistungshungrig gilt. Generative KI ist in der Lage, menschlich wirkende Gesprächsverläufe zu generieren und aus Textanweisungen komplette Bilder, Videos oder Musikstücke zu erzeugen.
Fremdanwendung mit stabiler Zukunftsperspektive
Nicht zum ersten Mal kommen Grafikchips wegen ihrer hohen Leistungsfähigkeit außerhalb der Bildgenerierung zum Einsatz. Auch der Boom bei den Kryptowährungen hat Grafikchips einen Nachfrageschub verschafft, vor allem im Bereich des Schürfens. Doch die ungewisse Zukunft der digitalen Währungen wirkt sich auch negativ auf die Komponentenlieferanten aus.
Besser sieht es da bei künstlicher Intelligenz aus. Die Technologie wird zum festen Bestandteil menschlicher Zivilisation werden, wenn erst die Phase der Maschinenstürmer und Untergangspropheten durchgestanden ist. Wer heute das Aufkommen der KI mit der Erfindung der Atombombe gleichsetzt, erinnert an selbsternannte Experten des 19. Jahrhunderts, die nach der Erfindung der Eisenbahn verkündeten, Geschwindigkeiten über 30 Stundenkilometer führten unweigerlich zum Tode.
Im Gegensatz dazu prophezeien Marktanalysten für die nahe Zukunft weltweit umfangreiche Investitionen in künstliche Intelligenz. Der Bedarf an Hochleistungschips wird in naher Zukunft noch weiter ansteigen – für Chiphersteller vielversprechende Signale. Nvidia hat dabei offenbar frühzeitig aufs richtige Pferd gesetzt: Bereits heute bestreitet das Unternehmen mehr als die Hälfte seines Umsatzes mit Lieferungen für Rechenzentren.
Wegen der hohen Bewertung der Aktie sehen die Analysten mittelfristig das Risiko von Kursschwankungen, wenn die Wachstumserwartungen nicht in vollem Umfang erfüllt werden. Bei Nvidia übt man sich allerdings in ruhiger Zuversicht. Fast täglich betreten neue Anbieter von KI-Anwendungen die Bühne, und sie alle benötigen enorme Rechnerkapazitäten. Marktbeobachter bei Goldman Sachs gehen davon aus, dass alleine die amerikanischen Investitionen in KI bis 2030 den Umfang des Bruttosozialprodukts eines mittleren Landes erreichen werden.
Nicht eingepreist in dieses optimistische Szenario ist die systemische Fluktuation beim aufkommenden Märkten. Eine große Zahl der jetzt entstehenden Startups wird erfahrungsgemäß sein viertes Lebensjahr nicht erreichen. Ob der Rest genügt, Nvidias Wachstumsprognose zu befriedigen, wird sich zeigen.