Neuer Anlauf der EU für ein schnelles Internet
Die nationalen bürokratischen Hürden beim Netzausbau für Internet und Mobilfunk abbauen, um sie dann durch ein eigenes, nicht minder ausladendes Regelwerk zu ersetzen – das war bisher die Strategie der EU zum europaweiten Netzausbau. Jetzt soll alles besser werden. Über den Gigabit Infrastructure Act (GIA) will die Europäische Union nun den zügigen Abbau regulatorischer Hindernisse in allen Mitgliedstaaten voranbringen. Das soll vor allem den Ausbau von Glasfasernetzen fördern.
Der Bedarf für schnelle Datenverbindungen entstammt nicht nur den ständig wachsenden Datendurchsatzraten im Internet. Vor allem auch der neue Mobilfunkstandard 5G sorgt für hohe Sogwirkung bei den Informationsflüssen. Insbesondere neue Anwendungsformen über Telefonie und mobiles Internet hinaus erfordern den zügigen Netzausbau – allen voran das Internet of Things (IoT), das in den nächsten beiden Jahrzehnten für einen Vervielfachung der am Internet teilnehmenden Endgeräte sorgen wird.
5G ist ohne Glasfasernetz nicht denkbar
Die enorme Leistungsfähigkeit der drahtlosen Datenübermittlung bei 5G benötigt entsprechend ausgestattete Basisstationen, die die eintreffenden und abgehenden Datenströme verzögerungsfrei weiterleiten können. Das lässt sich nur mit einem gut ausgebauten Glasfasernetz bewältigen – und genau da geht es längst nicht so zügig voran wie es sollte.
Bisher sind die erforderlichen Baumaßnahmen langwierig, denn nicht selten treffen sie auf hohe bürokratische Hürden und den Widerstand bei der regionalen Bevölkerung – und das wiederum treibt die Kosten in die Höhe. Dem will die EU nun mit dem GIA entgegenwirken. Vor allem der einheitlich geregelte Abbau bürokratischer Hemmnisse soll für eine raschere Durchführung der erforderlichen Baumaßnahmen sorgen.
Versuche dieser Art sind nicht neu. Früher hat die EU sich allerdings durch eigene komplexe Regelwerke selbst ins Abseits geschossen. Nun soll der konsequente Bürokratieabbau aber generisch von der EU ausgehen und lokale Eigenheiten bei den Genehmigungsverfahren aushebeln. Das strategische Ziel des GIA ist der flächendeckende Netzausbau für eine Übertragungsgeschwindigkeit von einem Gigabit pro Sekunde. Dazu sollen Bauherren verpflichtet werden, bei Neubauten den Anschluss von Glasfaserkabeln vorzusehen.
Über die Kosten besteht noch Diskussionsbedarf
Dass die extrem hohen Kosten für dieses Ziel nicht alleine den Netzbetreibern aufgebürdet werden sollen, ist schon seit geraumer Zeit Gesprächsthema zwischen Netzanbietern und EU. Die immer wieder vorgebrachte Forderung: Besonders Content-Anbieter mit besonders hohem Datendurchsatz – beispielsweise soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und TikTok oder Streaming-Anbieter wie Netflix – sollen sich an den Kosten beteiligen, da sie durch die Nutzung der Netze Milliarden verdienen.
Wie das technisch zu lösen ist, steht noch in den Sternen, insbesondere die Ermittlung der tatsächlich erzeugten Datenströme durch die Anbieter. So haben beispielsweise Streaming-Dienste erheblich weniger Datenbedarf als zunächst angenommen: In der Regel verfügen die Telekom-Anbieter über eigene Cache-Speicher, in denen die Inhalte von Netflix, Amazon und & Co. für die eigenen Kunden vorgehalten werden. Die Übertragung vom Streaming-Anbieter ist meist gar nicht nötig.
Dass die Netzbetreiber mit großer Zustimmung und die Plattformbetreiber mit entschiedener Ablehnung auf den Vorstoß der EU reagieren, war abzusehen. Dazu hat die EU nun eine öffentliche Konsultation auf den Weg gebracht, bei der sich die Beteiligten zum Thema Kostenbeteiligung äußern können. Kritiker sehen hier allerdings bereits eine deutliche Benachteiligung der Netzneutralität. So sollen die Fragen in der Umfrage tendenziös auf die Belange der Industrie zugeschnitten sein. Die Haltung und Interessenslage der Verbraucher scheint in der Konsultation offenbar nur eine Nebenrolle zu spielen.