Neue Technologie macht das ladefreie Elektroauto möglich
Trotz der auf allen Fronten vorangetriebenen Elektrifizierung des Individualverkehrs bestehen noch immer merkliche Widerstände bei den Konsumenten gegen die Elektromobilität. Vor allem drei Faktoren sprechen gegen die endgültige Akzeptanz: der Mangel an Ladestationen, die Uneinheitlichkeit der Abrechnungssysteme und – vor allem – die langen Ladezeiten. Ein Forschungsprojekt der TU Braunschweig könnte den globalen Umschwung bringen.
Die Idee der Forscher an der Technischen Universität Braunschweig: Alle Probleme in Zusammenhang mit dem Aufladen leerer Automobil-Akkus ließen sich im Vorfeld ausräumen, wenn das Auto gar nicht mehr geladen werden müsste, sondern seine Energie direkt aus der Straße beziehen könnte – ähnlich O-Bussen oder Zügen, die den Strom aus Oberleitungen erhalten.
Deutsch-israelisches Gemeinschaftsprojekt
ElectRoad – so der Produktname der Systems, das aus dem Forschungsprojekt eCharge hervorgehen soll. Das Projekt ist eine gemeinsame Initiative der TU Braunschweig und des israelischen Mobilitätsunternehmens ElectReon. Das Konzept: Elektroautos sollen während der Fahrt den benötigten Strom aus Induktionsmodulen beziehen, die in den Straßenbelag eingelassen sind. Aufenthalte zum Laden sollen auf diese Weise weitgehend – im Idealfall vollständig – überflüssig werden.
Die Module – bei ElectRoad Coils genannt – werden beim Neubau oder der Erneuerung der Straße in rund zehn Zentimetern Tiefe in die Asphaltdecke eingelassen. Darüber kommt zum Schutz von Coils und Straße eine Deckschicht, die ebenfalls aus Asphalt besteht.
Auf der Straße selbst ist von der Sonderausstattung nichts zu sehen. Am Straßenrand allerdings tauchen die Anschlusskabel im Abstand von 1,65 Metern aus dem Boden auf, werden gebündelt und alle 90 Meter in eine Steuereinheit geführt.
Über die Steuereinheiten erfolgt die Kommunikation der Coils mit dem Auto. Besteht Ladebedarf, werden die jeweiligen Coils aktiviert und nach dem Überfahren wieder deaktiviert, um den Energiebedarf so niedrig wie möglich zu halten.
Anordnung in E-Korridoren
Angedacht sind einzelne Streckenabschnitte mit einer Länge von 25 Kilometern, die so genannten E-Korridore, die vorzugsweise auf Autobahnen, autobahnähnlichen Schnellstraßen und möglicherweise auch Landstraßen installiert werden. Bei vollständigem Ausbau des System gibt es ein flächendeckendes Netz von E-Korridoren über das gesamte Straßennetz hinweg.
Die einzelnen E-Korridore haben die Aufgabe, die Reichweite durch Teilaufladung zu erweitern. Überfährt das Fahrzeug auf seinem Weg mehrere Korridore, kann sich daraus auch eine Zuladung bis zur vollständigen Ladung ergeben.
Auch die Entwicklung eines betriebssicheren Abrechnungssystems ist Gegenstand des Forschungsprojekts. Die Stromentnahme muss dem jeweils die Coils überfahrenden Auto zugeordnet werden. Da bei dichtem Verkehr bis zu zwei Fahrzeuge pro Sekunde einen Coil überfahren können, ist hohe Präzision bei der Datenerfassung unumgänglich.
Begleitet wird das Projekt vom Institut für Straßenwesen. Das Institut untersucht die wissenschaftlichen Aspekte des induktiven Ladens während der Fahrt. Auch soll eine geeignete Einbauweise gefunden werden, die optimal mit den üblichen Verfahren des Straßenbaus korrespondiert.
Ein weiteres Aufgabengebiet des Instituts ist die Suche nach dem geeigneten Straßenbaustoff. Er soll den schadstofffreien Einbau der zum System gehörenden Elemente ermöglichen und gleichzeitig keine Einschränkungen bei Langlebigkeit und Reparaturhäufigkeit mit sich bringen.
Die TU Braunschweig bringt bereits Erfahrungen mit dem induktiven Laden von Fahrzeugen mit. Im Jahr 2014 setzte die Universität ein Pilotprojekt mit dem Elektrobus Emil auf. Der Bus führt seit seiner Inbetriebnahme im Linienverkehr. Darüber hinaus hat die TU in diesem Jahr das Projekt LISA4CL auf den Weg gebracht. Dabei sollen erstmals Nutzfahrzeuge mit induktiver Ladetechnologie unter Praxisbedingungen erprobt werden.