Nespresso wehrt sich gegen Umwelt-Vorwürfe bei Kapselsystemen
Die bequemste und gleichzeitig ökologisch diskussionswürdigste Methode, Kaffee, Espresso und Cappuccino zu bereiten, ist der Einsatz einer Maschine für Kaffeekapseln. Gegen den Vorwurf, mit diesem System vermeidbare Müllberge zu verursachen, wehrt sich Erfinder und Marktführer Nespresso mit einer Öffentlichkeitskampagne. Einiges daran erscheint allerdings zweifelhaft.
Der Lockdown ist für Hersteller von Kapselsystemen nicht das zentrale Problem. Was durch Homeoffice und Gastronomie an Bestellvolumen im gewerblichen Umfeld verloren gehe, werde durch den gesteigerten Konsum in den eigenen vier Wänden ausgeglichen, so Mark Ruijgrok, Chef von Nespresso Deutschland.
Schwerer wiegen die zunehmenden Zweifel an der ökologischen Vertretbarkeit der Produktidee, jede Tasse Kaffee einzeln zu verpacken. Insbesondere bei den Kapselsystemen und ihrem hohen Bedarf an Aluminium stellt sich die Sinnfrage in erhöhtem Ausmaß.
Hohe Recyclingrate – wenn es stimmt
Nespresso kontert die erhobenen Vorwürfe mit dem Verweis auf den hohen Anteil an wiederverwendeten Grundstoffen. Bis Ende 2021 soll jede Kapsel aus 80 Prozent Altmaterial bestehen. Dem stehen die Bedenken von Umweltexperten und Wissenschaftlern gegenüber. Sie vermuten eine ausgefeilte Greenwashing-Kampagne.
Nespresso, eine Tochter des Nestlé-Konzerns, verweist auf seine Kaffeeröstereien. Sie arbeiten laut Firmenangaben bereits seit fünf Jahren klimaneutral. Da allerdings die Hauptproblematik bei der Verpackung liegt, ist damit für das Handelsformat Kaffeekapseln nicht viel gewonnen.
Die Ankündigung, Klimaneutralität für das Gesamtsystem zu erreichen, schließt eine intensive Recyclingstrategie für die Kapseln mit ein. Und gerade da scheint derzeit noch einiges im Argen zu liegen. Alleine in Deutschland entsteht durch die Aluminiumverpackungen ein Müllberg von geschätzten 5.000 Tonnen pro Jahr, wobei der Großteil der leeren Kapseln im Hausmüll landet.
Zwar hat Nespresso für seine Aluminiumkapseln eine Zertifizierung für das Duale System erworben. Das allerdings ist im Wesentlichen Kosmetik, da Kapseln in die Gelbe Tonne gehören – und die ist in vielen Haushalten gar nicht im Einsatz.
Nespresso hat nun die verstärkte Verwendung von Recycling-Aluminium – Sekundäraluminium genannt – in Aussicht gestellt. Das soll den Bedarf an Neumaterial spürbar senken. Doch auch dieses Vorhaben wirft Fragen auf.
Kaffeekapseln müssen einen gewissen Grad an Stabilität aufweisen – eine Eigenschaft, die bei Sekundäraluminium nicht in vollem Umfang zur Verfügung steht. Zudem gibt es Einschränkungen bei der Lebensmittelsicherheit, die aus dem Recyclingprozess herrühren.
Recycling-Quellen: unbekannt
Nur zum Teil stammt das Material aus alten Kapseln. Für den Rest gibt Nespresso „verschiedenen Quellen, etwa von Endkonsumentenprodukten“ an. Eine nähere Erläuterung ist nicht erhältlich, was nicht gerade zur Vertrauensbildung beiträgt.
Ein weiterer Schwachpunkt bei Kaffeekapseln ist die Energiebilanz. Die Herstellung von Aluminium ist energieintensiv, insbesondere die Gewinnung des Grundstoffs Bauxit. Nespresso betont, dass beim Einsatz von Recyclingmaterial lediglich fünf Prozent der ursprünglichen Energie anfallen.
Der Großteil des zur Verfügung stehenden Aluminiumschrotts dürfte für die Verwendung in Recycling-Kapseln ohnehin nicht verwendbar sein. Üblicher Schrott besteht aus Hunderten von Legierungen. Daraus wieder reines Aluminium zu gewinnen, ist meist ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Idee der Kaffeekapsel ist vom Gebrauchswert her bestechend, aus ökologischer Sicht allerdings mit einem Geburtsfehler behaftet. Ein europaweites Verbot gehört daher zu den denkbaren Optionen.