Nachhaltige Energiewirtschaft: Die italienische Ambivalenz

An der Nachhaltigkeit kommt keiner vorbei. Selbst Staaten, die deutlich höhere ökonomische Missstände zu balancieren haben, müssen sich zur Klima-Weltpolitik verhalten, besonders natürlich, wenn sie westlichen Staatenbündnissen angehörig sind. Italien gilt in dieser Beziehung traditionell eher als Spätling.

Mit der aktuellen Debatte um die Rückkehr zur Kernenergie ist dieser Eindruck allem Anschein nach erneut bestätigt worden: Immerhin ist es der dem progressiven Lager entstammende Umweltminister Roberto Cingolani, der den Vorschlag unterbreitet hat. Der verwaltet zudem milliardenschwere Fördersummen für aus der EU und dem italienischen Staatshaushalt für den „ökologischen Übergang“. Was hat es mit der Ungleichzeitigkeit der Nachhaltigkeitsentwicklung in Italien auf sich?

Ingovernabile – italienischer Starrsinn

Noch dieser Tage kündigt Roberto Gualtieri, der neue Bürgermeister von Rom, an, die italienische Hauptstadt wolle die „Überraschung“ der kommenden Jahre werden: mit einer neu aufgestellten Müllabfuhr, einem Mobilitätskonzept für die Innenstadt und vielem mehr.

Die Linken, von denen er die Stadt übernommen hat, waren nicht weniger ambitioniert, als wirklich erfolgreich galten sie nicht. Italien ist ein Land mit ureigener Mentalität, einer klerikalen Prägung, einem starken Eigensinn. Mit vielen Europäern kann man diskutieren – die Italiener tun sich damit schwer, zuzuhören und sich zu beteiligen. So ähnlich wie also Rom, die „città ingovernabile“ (die unregierbare Stadt), die unter Gualtieri ihre Schwierigkeiten mit oktroyierten Ansprüchen haben wird, ist auch das Thema Klimaschutz alles andere als selbstverständlich.

Grüne Revolution in Italien?

Die EU hat im Rahmen einer historischen Anleihe 750 Milliarden Euro für einen innereuropäischen Wiederaufbaufonds mobilisiert, der einerseits die Auswirkungen von COVID-19 dämpfen, zum anderen als Finanzierung für die Nachhaltigkeitsmobilisierung der Mitgliedsstaaten wirken soll. Italien erhält aus dem sogenannten NextGenerationEU-Programm die größte Summe: satte 191,5 Milliarden Euro werden davon an Italien gehen, so viel wie in keinem anderen Land. Im Zentrum der ökologischen Vorhaben des Pakets: eine nachhaltigere Landwirtschaft, mehr Elektromobilität und ein besseres Entsorgungssystem für Plastikabfälle. Kritiker bemängeln sofort: Das Programm trage den von der EU formulierten Umweltzielen nicht ausreichend Rechnung. Von der seitens der Planer postulierten „grünen Revolution“ sei man jedenfalls damit noch weit entfernt.

Revolution, aber von unten

Große Teile der Bevölkerung stehen den Vorhaben wohl aufgeschlossen gegenüber, auf der anderen Seite stehen allerdings Industrie- und Wirtschaftsverbände, die die Bemühungen aus Arbeitgebersicht kritisieren. Immerhin: Papst Franziskus haben die Klimaschützer auf ihrer Seite. Der gilt als einer der Verfechter ökologischer Anliegen und hat selbstverständlich einen nicht unerheblichen Einfluss auf das katholische Land. Zwischen Klima-Jugendgipfeln, G20-Treffen und römischem Aufbruch kristallisieren sich aber mehr und mehr die Basisinitiativen, NGOs und nachhaltigkeitsgetriebenen Unternehmen als Treiber der ökologischen Wende in Italien heraus. Im Ausland gilt der neue Anspruch Italiens, Vorreiter des europäischen Klimaschutzes zu werden, als sehr ambitioniert. Schon diese hehren Ansprüche haben ihre Ursprünge im gesellschaftlichen Wandel, der schon vor einigen Jahren Italien erreicht hat.

 

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