Musiker positionieren sich in einem offenem Brief gegen die europäische Urheberrechtsreform

„Das Entsetzen hat kein Ende“, so der Titel des offenen Briefs, den 1.145 bekannte Musikschaffende aus Deutschland an die Bundestagsabgeordneten gerichtet haben, darunter so illustre Namen Helene Fischer, Herbert Grönemeyer oder Peter Maffay. Dass die europäische Urheberrechtsreform nun in deutsches Recht umgesetzt werden soll, werten die Unterzeichner als einen Akt der Entmündigung und Enteignung.

In künstlerischer Bildsprache machen die Musikschaffenden in dem Schreiben ihre Sichtweise deutlich, wonach Urheber-Persönlichkeitsrechte auf dem Altar des vermeintlichen Verbraucherschutzes geopfert werden. Alles in allem beweise der Entwurf eine „künstler*innenfeindliche Prioritätensetzung“.

Urheberrechte – in Europa ein heißes Thema

Die Frage der Urheberrechte – insbesondere im Internet – sind bereits seit Jahren ein heiß umkämpftes Gebiet. Auf der einen Seite stehen die Internetnutzer, flankiert von den großen Plattformen wie Google, Facebook & Co. Sie plädieren für eine weitgehende Liberalisierung mit so wenig Urheberschutz wie möglich. Sie empfinden automatische Uploadfilter und die Urheberschutzbestimmungen als Angriff auf die Meinungsfreiheit und die in sozialen Medien üblichen Kommunikationsformen wie beispielsweise Memes.

Auf der anderen Seite stehen Musikschaffende und Musikkonzerne. Sie sehen namhafte Teile ihrer Wertschöpfungsketten durch die Digitalisierung in Netz in existenzieller Gefahr und wünschen sich Methoden zur Aufrechterhaltung ihrer Rechtsansprüche aus der Urheberschaft. Insbesondere die kostenlose Nutzung durch die großen Digitalunternehmen wie Google und Facebook liegt der Musikindustrie schwer auf dem Gemüt.

EU-Richtlinie verlagert die Haftung vom Nutzer auf den Anbieter

Die EU-Richtlinie zum Urheberschutz versucht den Ausgleich aller Interessen. Auf der einen Seite sieht sie vor, das nun die Plattformen für alle urheberrechtlichen Aspekte der auf ihnen veröffentlichten Inhalte verantwortlich sind, nicht mehr die Nutzer.

So sind nun die Anbieter sozialer Medien verpflichtet, das unerlaubte Hochladen geschützter Inhalte zu unterbinden. Und genau das führt zum größten Zankapfel des internet-Zeitalters: den automatischen Uploadfilter.

Auf der anderen Seite legt die Richtlinie fest, dass geschützte Inhalte für Parodien, Karikaturen oder Memes weiterhin frei nutzbar bleiben sollen. Die Herausforderung besteht darin, diese Vorgaben einschließlich aller Auslegungen bis zum 7. Juni in deutsches Recht umzusetzen.

Bagatellgrenze als Konfliktquelle

Die Frage, an der sich neben vielen anderen auch die Verfasser des offenen Briefs stoßen, ist, ab wann die Nutzung geschützter Inhalte erlaubt sein soll und wann ein Urheberrechtsverstoß vorliegt. Die deutsche Auslegung der EU-Richtlinie beinhaltet eine relativ großzügige Interpretation zugunsten der Nutzer. Und genau das bringt die Unterzeichner des offenen Briefs auf die Barrikaden.

Als geringfügige Nutzung von Musik betrachtet der deutsche Gesetzentwurf beispielsweise Ausschnitte von Musikstücken bis zu einer Länge von 15 Sekunden. Dafür müssen die Nutzer keine Lizenzen erwerben und können sie ungehindert teilen, wenn die 15 Sekunden weniger als die Hälfte des Werks darstellen und mit anderen Inhalten kombiniert werden.

Die Unterzeichner des offenen Briefs wenden sich entschieden gegen diese Regelung. Dabei geht es ihnen insbesondere um die Einnahmen der Internetkonzerne aus den enorm beliebten Clips ihrer Nutzer, die eben diese kurzen Musikschnipsel enthalten. An den dadurch erzielten Werbeeinnahmen möchten sie angemessen beteiligt werden.

Diese Sichtweise ist teilweise nachvollziehbar. Allerdings sollten die Musiker, die bei einer eventuellen Durchsetzung ihrer Position vor allem die Nutzer in ihrer Betätigung behindern würden, einen Aspekt nicht aus den Augen verlieren: Es sind ihre eigenen Fans, die sie verärgern. Ob es das wert ist, muss jeder Künstler für sich entscheiden.