München schickt das Oktoberfest in die Wüste

Einen besonders langen Anfahrtsweg werden Fans des Münchner Oktoberfests möglicherweise auf sich nehmen müssen, zumindest, wenn sie aus Europa kommen: Wenn das größte Volksfest der Welt in München seine zweite Pandemie-bedingte Absage hinnehmen muss, könnte es zu einer unerwarteten Verlagerung kommen: nach Dubai.

Dass die ungewöhnliche Idee im Heimatland der Wiesn auf wenig Gegenliebe stößt, war zu erwarten. Auf der anderen Seite stellt das Oktoberfest einen derart gewichtigen Wirtschaftsfaktor dar, dass die erzwungene Stornierung zwangsläufig die Phantasie rühriger Unternehmer und Veranstalter entfacht.

Schausteller und Szenewirt mit ungewöhnlichem Konzept

Die Idee des Schaustellers Charles Blume und des Münchner Szenewirts Dirk Ippen entbehrt trotz aller Skurrilität nicht einer gewissen inneren Logik. Kann eine Veranstaltung an ihrem angestammten Platz nicht stattfinden, lässt sie sich stattdessen mit einer anderen Veranstaltung, die tatsächlich stattfindet, kombinieren.

Im konkreten Fall wäre das die Weltausstellung in Dubai. Die Tatsache, dass die Expo zwischen 1. Oktober 2021 und 31. März 2022 stattfindet, hätte für Oktoberfest-Fans einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: statt knapp über zwei Wochen, wie beim Münchner Original, würde die Wüsten-Wiesn ein halbes Jahr dauern.

Prominente Befürworter

Dass das Dubaier Oktoberfest kein reines Luftschloss ist, beweisen die Protagonisten, die das Projekt fördern. Neben dem früheren Szene-Gastronomen Dirk Ippen und dem Macher des Berliner Weihnachtsmarkts Charles Blume wirkt voraussichtlich auch Promi-Wirt Sepp Krätz als Berater mit, der in München mit seinen Lokalen Andechser am Dom, der Waldwirtschaft und auf dem Oktoberfest mit dem Großzelt Hippodrom Kultstatus erreicht hat.

Darüber hinaus ist Dirk Ippen in Dubai kein Unbekannter. Gemeinsam mit Feinkostkönig Gerd Käfer, der in Dubai Fuß fassen möchte, ist er derzeit mit der Standortsuche für einen Ableger der weithin bekannten Käfer-Schänke betraut. Wenn die Suche erfolgreich verläuft, soll der neue Feinkosttempel in Dubai bereits Ende 2021 an den Start gehen.

Planung in großen Dimensionen

Entsprechend groß dimensioniert, wie das dem Stil von Dubai entspricht, sind die Dimensionen des Volksfests am Persischen Golf geplant. Es soll 32 Zelte mit Fassungsvermögen bis zu 10.000 Personen geben – im Vergleich zu den 38 Zelten des Originals eine beachtliche Größe.

Dazu kommen 620 Schausteller und Buden, die gemeinsam mit den Zelten auf rund 420.000 Quadratmetern untergebracht werden sollen. Auch das ist mit den Zahlen des Münchner Oktoberfests durchaus vergleichbar.

Bei den Besucherzahlen haben die Initiatoren Großes vor. Rund vier Millionen Besucher sollen das Volksfest in Dubai pro Monat besuchen. Angesichts der 6,3 Millionen Gäste die das Münchner Oktoberfest 2019 innerhalb von gut zwei Wochen aufgesucht haben, erscheint diese Prognose schon fast konservativ.

Auch für das zentrale Element eines Oktoberfests, das Bier, gibt es bereits eine Lösung. Hauptlieferant soll der Braukonzern AB Inbev werden, zu dem so illustre Namen wie Löwenbräu und Spaten gehören.

Noch dominiert die Skepsis

Besonders angestammte Wiesn-Wirte wie Stephan Kuffler oder Christian Schottenhamel betonen auf Anfrage wiederholt, dass sich das Oktoberfest nicht kopieren lasse. Auf den Punkt bringt es der frühere Wirtesprecher Toni Roiderer: „Ich bin Wiesnwirt und kein Wüstenwirt.“

Auch der Wiesn-Chef, Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner, zeigt sich wenig begeistert: „Ein Oktoberfest in Dubai, das ist doch wie eine Demonstration für Demokratie in Pjöngjang.“ Eine Lizenz zur Nutzung der geschützten Marke Oktoberfest soll es jedenfalls nicht geben.

Gerade die verbissenen Abwehrreaktionen aus der Schausteller- und Gastronomenszene, die mit dem Oktoberfest erhebliche Gewinne erzielt, lässt allerdings die Vermutung aufkommen, dass es hier zu einem nicht unwesentlichen Teil um Bestandsschutz und Konkurrenzabwehr geht. Das wäre nicht der Fall, würden die Betroffenen die Idee nicht in innerster Seele ernst nehmen.