Michael Otto: Der Visionär nachhaltigen Unternehmertums wird 80

Im Internet war Michael Otto mit seinem Versandunternehmen fast von Anfang an dabei: Nur fünf Jahre nach dem Beschluss der National Science Foundation im Jahr 1990, das Internet für die kommerzielle Nutzung freizugeben, ging Otto mit seinem Onlineversand ins Netz, ein Jahr nach US-Versandhändler Amazon, der zunächst nur Bücher im Sortiment hatte. Doch das ist nicht die einzige Vision des deutschen Unternehmers, der am heutigen Mittwoch 80 Jahre alt wird.

1986, in einer Zeit, in der Vertreter von Klima- und Umweltschutz noch flächendeckend als Ökospinner eingeordnet wurden, erhob Michael Otto genau diese Werte zum offiziellen Unternehmensziel. Anders als bei vielen anderen Unternehmen war das kein grüner PR-Coup – der Hamburger Unternehmer füllte dieses Bekenntnis mit konkreten Strategien in allen Bereichen des Geschäftsbetriebs aus.

Club of Rome-Bericht als Initialzündung

Die beispielhafte unternehmerische Laufbahn von Michael Otto geht auf ein Schlüsselerlebnis aus den 1970er-Jahren zurück. Damals erregte Dennis Meadows‘ Bericht an den Club of Rome mit dem Titel Grenzen des Wachstums weltweit Aufsehen – und veranlasste den Unternehmer, sein Versandhaus, dessen Telefonbuch-dicker Otto-Katalog damals zu den meistgelesenen Büchern der Bundesrepublik gehörte – nach strikten Umwelt- und Klimaschutzkriterien auszurichten.

Ebenfalls als einer der ersten gründete Hans Otto 1993 eine eigene Umweltstiftung, die den Schutz von Wasser als Lebensgrundlage zum Ziel hatte. 2014 brachte er in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender seine Mehrheitsanteile in eine gemeinnützige Stiftung ein. Dadurch bleibt die Kontrolle über das Unternehmen in Familienhand, was unter anderem garantiert, dass der Firmensitz nicht in ein Niedrigsteuerland verlegt wird.

Umweltziele als oberstes Gebot

Wie ernst es dem Unternehmer mit dem Klimaschutz ist, belegt die ständige Anpassung der Umweltziele an die aktuellen Gegebenheiten. Besonders die Zielvorgaben für das Erreichen von CO2-Neutralität sind über die Jahre hinweg immer strenger geworden. Bis 2045 soll das Unternehmen vollständige Klimaneutralität erreichen, und das über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg – vom Rohstoffanbau bis zum Lieferfahrzeug.

Dazu existiert bei Otto eine umfangreiche Palette an Maßnahmen. Bereits seit 1986 gibt es bei dem Versandhändler keine Pelzmäntel mehr. Mittlerweile enthält das Sortiment schadstofffreie Textilien, zum großen Teil aus ökologischer Baumwolle aus eigener Produktion. In den Färbereien kommen biologisch abbaubare Farben zur Anwendung. Und die Otto-Stiftung Cotton made in Africa fördert die ökologische Baumwollproduktion auf Europas südlichem Nachbarkontinent. Die Stiftung hat weltweit Beispielcharakter: Neben den nachhaltigen Anbautechniken ist vor allem die Schonung der knappen Ressource Wasser von Bedeutung – statt wie üblich 1.800 Liter Wasser zur Herstellung von einem Kilo Baumwolle benötigt die Methode der Stiftung lediglich zwei Liter.

Der Versandriese setzt auf Kreislaufwirtschaft

Der Philosophie, Produkte nach der ersten Nutzung nicht wegzuwerfen, folgt Hans Otto mit seinem Nachhaltigkeitskonzept auf mehrfache Weise. So betreibt das Unternehmen eine Kette von Second-Hand-Geschäften. Ein anderer Weg der Wiederverwendung ist das Recycling: Otto setzt konsequent auf Produkte, die wiederverwendbare Elemente enthalten.

Und schließlich engagiert sich Hans Otto bei der Industrie für der Förderung von Reparierbarkeit defekter Produkte. Ein besonderer Dorn im Auge sind Hans Otto fest eingebaute Akkus in Smartphones und anderen Elektrogeräten. Der Unternehmer plädiert entschlossen für austauschbare Akkus, was die Elektroschrotthalden überall auf der Welt deutlich reduzieren würde.

Hans Otto gilt heute als Pionier und Vorbild gleichermaßen. Neben der Ehrenbürgerwürde von Hamburg hat der Unternehmer zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 1991 den Titel “Öko-Manager des Jahres”, 1997 den Deutschen Umweltpreis und 2021 den Preis des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.