Meyer-Werft: Mit dem schwimmenden Apartmenthaus aus der Krise

Die massiven Auswirkungen der Corona-Krise auf die Kreuzfahrtindustrie haben neben den Reedereien auch die Werften empfindlich getroffen, darunter einen der weltweiten Marktführer, die Meyer-Werft in Papenburg. Mit dem Konzept des Apartmentschiffs bietet sich nun ein Weg für die Schiffsbauer, Ausfälle aus dem Touristikbereich auszugleichen.

Der jüngste Auftrag der Malteser Ocean Residences Development Ltd. an die Papenburger Werft hat ein Schiff mit Namen Njord zu Gegenstand, das Ende 2025 vom Stapel laufen soll. Die Besonderheit dabei: Die Appartements an Bord sind nicht für die kurzfristige Belegung durch Kreuzfahrtpassagiere gedacht. Vielmehr stehen sie einzeln zum Verkauf und gehen in das Eigentum ihrer Käufer über.

Wohnsitz auf dem Schiff – ein neuer Lebensentwurf

Die Njord wird auf knapp 290 Metern Länge und rund 33 Metern Breite 117 Appartements unterschiedlicher Größe bereithalten, die rund 1.000 Passagieren, respektive Bewohnern, Platz bieten. Damit ist die Njord nach The World erst das zweite Schiff weltweit, das die Idee des dauerhaften Wohnsitzes auf einem Schiff in die Tat umsetzt.

Dennoch scheint sich das Konzept – nicht zuletzt durch die Corona-bedingten Einbrüche bei den Kreuzfahrten – allmählich auf breiter Front durchzusetzen. Ein weiteres Schiff, die Somnio, wurde vor Kurzem vom italienischen Schiffbauunternehmen Fincantieri in Auftrag gegeben.

Die Idee des Wohnschiffs besteht allerdings schon seit einigen Jahrzehnten. Erstes und berühmtestes Projekt aus den 1990er-Jahren war Freedom Ship, eine schwimmende Stadt mit einer Länge von 1.800 Metern und einer Flugzeuglandebahn auf dem obersten Deck. Da sich keine Finanzierung des ambitionierten Konzepts auf die Beine stellen ließ und sich auch einige schwerwiegende technische Probleme einstellten, wurde das Projekt schließlich eingestellt.

Modernste Technik und emissionsarmer Antrieb

Das im Stil einer Megayacht gestaltete Schiff mit einer Bruttoraumzahl von 84.800 wird über einen LNG-Flüssiggasantrieb verfügen. Durch das innovative Energiemanagement mit einer eingebundenen Hybrid-Batterieanlage soll das Schiff laut Herstellerangaben besonders niedrige Emissionswerte erreichen.

Zukunftsweisend ist auch die Skalierbarkeit der Antriebstechnologie. Laut Meyer-Werft werden die Motoren und Treibstofftanks die unkomplizierte Umrüstung auf zukünftige Treibstoffe erlauben, beispielsweise grünen Wasserstoff. Damit soll sich die Njord auch nachträglich auf weiter verbesserte Emissionswerte bringen lassen, sobald die entsprechende Technik marktreif ist.

Ein Schiff mit sozialem Anspruch

Als Beitrag zur Abmilderung des Klimawandels ist ein Abschnitt des Apartmentschiffs als Forschungseinheit für die Nutzung durch Wissenschaftler und Nicht-Regierungs-Organisationen ausgelegt. Die Betreiberfirma will auf diesem Weg in Zusammenarbeit mit ozeanischen Forschungsorganisationen wissenschaftliche Meeres– und Klimaforschung fördern, und das überall da, wo sich die Njord auf ihrer Route aufhält.

Das Ziel der Forschungsarbeit an Bord der Njord ist das bessere Verständnis der komplexen Zusammenhänge klimatischer und maritimer Prozesse. So soll beispielsweise erforscht werden, wie sich die Luftströmungen über den Meeren und ihre CO2-bedingten Veränderungen langfristig auf das Klima auswirken.

Diversifikation als Standortsicherung

Für die Meyer-Wert bedeutet der Auftrag zum Bau des Apartmentschiffs eine strategisch wichtige Erweiterung des Produktspektrums. Die massiven Auftragseinbrüche, bedingt durch die weltweite Pandemie, und ihre Auswirkungen auf den Kreuzfahrttourismus lassen sich nur schwer wieder einholen.

Bisher konnte die Werft im März 2021 erst einen Neuauftrag über ein kleines Kreuzfahrtschiff für die japanische Reederei NYK verzeichnen. Die Ausweitung auf einen neuen Schiffstyp, der gleichzeitig baulich keine maßgeblichen Veränderungen erfordert, bedeutet laut Unternehmensaussagen einen wichtigen Schritt für die Standortsicherung in Papenburg.