Logistik-Roboter von Boston Dynamics für Einsatz in mittleren und kleinen Betrieben

Die Evolution in der Logistik hin zur Robotertechnik auch in kleineren Betrieben betreibt das Robotik-Unternehmen Boston Dynamics, das seit Ende 2020 zum Autokonzern Hyundai gehört. Kern des kompakten Roboters ist ein in sieben Freiheitsgraden beweglicher Arm, der Lasten mit bis zu 23 Kilogramm Gewicht stemmen kann.

Dass sich robotergestützte Logistik bisher nur für Großbetriebe mit hohem Flächenangebot lohnt, hängt mit der stationären Auslegung von automatischen Lagerhaltungssystemen zusammen. Damit lassen sich nur die Lagerbereiche robotergestützt betreiben, die entsprechend ausgebaut sind.

Der Lagerroboter Stretch von Boston Dynamics kommt dagegen wie ein Industrieroboter auf Rädern daher. Er kann sich im gesamten Lagerbereich bewegen und auf engstem Raum operieren. Damit profiliert sich Stretch als wendiger Lagerarbeiter für das Stapeln von Paketen, Kisten und Containern. Als Einsatzgebiete sieht das Roboterunternehmen vor allem mittlere und kleine Logistik- und Versandzentren.

Flexibilität contra statische Prozesse

Während stationär eingebaute Systeme ausschließlich fest vorgegebene Routinen abarbeiten, lässt sich ein mobiles System wie Stretch an unterschiedliche und wechselnde Abläufe anpassen. Das ist insbesondere bei kleineren Unternehmen von großer Bedeutung.

Für Boston Dynamics, das bisher vor allem durch Roboter in Tierform aufgefallen ist und sich größtenteils mit der Entwicklung von Systemen für den militärischen Bereich beschäftigt hat, bedeutet Stretch eine Neuausrichtung, sowohl beim Roboterdesign als auch bei den Zielgruppen. Die Hinwendung zum aufsteigenden Markt Logistik deutet auf einen zumindest teilweise erfolgten Paradigmenwechsel hin.

Auf autonomen Betrieb ausgelegt

Wie schon Roboterhund Spot, kann sich auch Stretch in seinem Operationsgebiet orientieren und die gestellten Aufgaben eigenständig organisieren. Dazu ist auf der fahrbaren Plattform nicht nur der in sieben Freiheitsgraden bewegliche Arm montiert, sondern auch ein Auslegermast mit Kameras und Sensoren, über den der Lagerroboter seine Umgebung scannt.

Eine am Ende des Tragarms montierten Ansaugvorrichtung kann mittels Saugnäpfen Lasten bis zu 23 Kilogramm aufnehmen, transportieren und wieder absetzen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Lasten über eine gerade Fläche verfügen, an denen sich der Roboterarm festsaugen kann.

Damit Stretch mit seiner aufgenommener Last nicht umkippt, ist ein patentiertes System aus Gegengewichten installiert, mit dessen Hilfe der automatische Lagerarbeiter immer im Gleichgewicht bleibt – beim Aufnehmen und Absetzen ebenso wie während des Transports.

Schwerpunkt: flexibles Einsatzprofil

Was den mobilen Lagerroboter insbesondere für mittlere und kleinere Betriebe so attraktiv macht, ist die Vielfalt seiner Einsatzmöglichkeiten in nicht automatisierten Bereichen. So kann Stretch sich um die Versorgung des Warenlagers kümmern, dabei aber jederzeit auch zum Stapeln von Kisten oder dem Beladen und Entladen von Lkws abberufen werden.

Damit verhält sich der Lagerroboter wie eine menschliche Lagerkraft: Er lässt sich überall da einsetzen, wo er gerade benötigt wird, ohne das der Bereich über weitere Einrichtungen zur Automatisierung verfügen muss. Michael Perry, Vizepräsident der Sektion Business Development bei Boston Dynamics bringt es auf den Punkt: „Stretch automatisiert nicht automatisierte Bereiche.“

Für mittlere und kleinere Betriebe sind das gute Nachrichten. Automatisierung von Logistik wird mit herkömmlichen Systemen erst bei großen Flächen wirtschaftlich und zieht erhebliche Investitionen nach sich. Das ist der Grund dafür, dass weltweit rund 80 Prozent aller Lagerflächen nicht automatisiert sind. Für Boston Dynamics eröffnet sich hier ein aussichtsreiches Absatzgebiet.

Der Roboter-Lagerist kann nach Angaben des Unternehmens bis zu 800 Kisten pro Stunde bewegen. Damit entspricht er bei der Arbeitsleistung in etwa einem menschlichen Lageristen. Der Akku soll dabei eine ganze Schicht lang durchhalten, bis Stretch wieder an die Steckdose muss.