Kultur im Lockdown: wenig Erhellendes

Carl Spitzwegs berühmtes Gemälde vom armen Poeten, sich mit einem aufgespannten Regenschirm gegen das undichte Dach wehrend, gewinnt angesichts der aktuellen Situation Kulturschaffender in Europa im Zeichen von Corona neue Aktualität. Denkmodelle für einen neuen Zugang zu Kunst und Kultur sind vorerst nicht auszumachen.

Auch Kreative müssen essen und zumeist ihre Miete bezahlen. Diese fundamentale Tatsache scheint an den Hilfsprogrammen für Kulturschaffende in den meisten europäischen Ländern vorbeigegangen zu sein. Die üblichen Modelle sind hauptsächlich von Ratlosigkeit bis hin zum Zynismus geprägt, gipfelnd in dem Rat, den Beruf zu wechseln – so britische Politiker zu Beginn der Pandemie gegenüber Kulturschaffenden ihres Landes.

Kultur als systemrelevanter Faktor

Dass Europa das globale Vorbild für den Umgang mit Kunst und Kultur darstellt, scheint weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Doch es gibt auch ganz praktische Gründe, dem kulturellen Sektor mehr Beachtung zu schenken: Über 7,6 Millionen Menschen arbeiten europaweit im Kulturbereich, davon 1,2 Millionen alleine in Deutschland. Das sind erheblich mehr als beispielsweise in der Autoindustrie mit rund 823.000 Personen.

Auch die Umsätze Kulturschaffender stellen andere Branchen weit in den Schatten. Musiker, Autoren, Journalisten, Schauspieler, Maler und Sänger, aber auch Architekten und Werbefachleute erzielten europaweit eine Gesamtumsatz von rund 253 Milliarden Euro – im Vergleich dazu die Telekommunikationsbranche mit 187 Milliarden und die Autoindustrie mit 107 Milliarden.

Apokalyptisch anmutende Einbrüche

Gleichzeitig gehören Kulturschaffende zu dem Bevölkerungsteil, der am heftigsten von den Auswirkungen der Pandemie betroffen ist. Die Rückgänge sind bei rund 31 Prozent mit denen der Luftfahrt vergleichbar. Besonders katastrophal sieht die Lage bei Bühnenkünstlern aus: Hier sind Einbrüche um 90 Prozent keine Seltenheit.

Die Lage ist alarmierend. Europaweit summieren sich die Umsatzverluste auf 199 Milliarden Euro. Rund zwei Millionen Jobs stehen auf der Kippe. Permanente Absagen großer Veranstaltungen drücken weiter auf die Stimmung, so letztens die Stornierung des berühmten Festivals im britischen Glastonbury.

Viele Kulturschaffende sehen auf ein Jahr ohne jegliche Einkünfte zurück – und ein Ende ist nicht abzusehen. Gerade diese Tatsache macht deutlich, wie gering der subventionierte Anteil am Gesamtvolumen der Kulturszene ist, auch wenn viele anderes vermuten.

Nur rund 10 Prozent aller kulturellen Initiativen werden durch öffentliche Subventionen gestützt. Der überwiegende Teil ist frei finanziert. Schon vor Corona zeigte sich überdies ein deutliches Absinken der Subventionsquote. Dem steht eine Kulturszene gegenüber, die hauptsächlich aus Freiberuflern und Kleinunternehmern besteht und bei den Hilfsprogrammen vielfach durch das Raster fallen.

„Jetzt geht es um schnelle Maßnahmen, um ein stabiles und sicheres Umfeld für Kreative zu schaffen“, sagt Jean-Noël Tronc, Direktor der Künstlervereinigung Society of Composers, Authors and Music Publishers (Sacem). Einen wichtigen Ansatz sieht Tronc in den intellektuellen Schutzrechten. „Eine der großen Fragen wird sein, wie sich geistiges Eigentum weltweit schützen lässt, vergleichbar etwa mit dem Schutz von Innovationen in der Industrie oder den Ergebnissen in Forschung und Naturwissenschaften.“